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Der eiserne Thron

Der eiserne Thron

Titel: Der eiserne Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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sorgfältig darauf bedacht, nicht in der Nähe derer mit deutlich niedrigerem Status zu stehen. Jeder Clan lag
mit mindestens einem anderen Clan in blutiger Fehde, aber
das wurde auch so erwartet.
    Auf einer Seite standen die Hologramme, nickten sich gegenseitig freundlich zu und verrieten sich durch gelegentliches schwaches Schimmern, wenn das eine oder andere Sicherheitsfeld das Übertragungssignal für Sekundenbruchteile
unterbrach. Gesetz und Brauch verboten ihnen zu sprechen
oder die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, und so trieben
sie zwischen den prächtigen Lords und Ladies hindurch wie
Geister bei einem Gelage.
    Die Familien betrieben leise Konversation, während sie
warteten, und suchten Unterstützung oder Vorteile oder interessierten sich einfach für das neueste Geschwätz. Wissen war
Macht am Hof von Löwenstein XIV., selbst wenn es nur das
rechtzeitige Wissen war, in welche Richtung man sich zu
ducken hatte. Jeder verdächtigte jeden, das voraussichtliche
Opfer der bevorstehenden Audienz zu werden, und verstohlene Blicke sahen hierhin und dorthin auf der Suche nach
Schwäche – wie Geier, die über einem sterbenden Mann kreisten. Niemand sprach offen über das Bevorstehende – natürlich nicht. So etwas tat man nicht. Nein.
    Hier und dort hatten schwerbewaffnete Wachen Posten bezogen, prunkvoll in scharlachrote Rüstungen und Visierhelme
gekleidet. Niemand schenkte ihnen die leiseste Beachtung.
Die Familien wußten, daß man sie beobachtete, und die
Wachposten waren nur der offensichtlichste Teil der Überwachung. Sie standen eigentlich nur herum, um sicherzustellen,
daß befeindete Familien keinen Streit untereinander vom
Zaun brachen. Leibwächter oder gar Waffen waren den Besuchern am Hof strengstens verboten, doch wenn die Worte hitzig wurden, folgten hin und wieder Schlägereien. Das war der
Zeitpunkt, zu dem sich die Wachen einmischten und mit primitiver Lust die Ordnung wiederherstellten. Ein Niedriggeborener bekam nicht häufig die Gelegenheit, einen Lord zu mißhandeln, und die Wachen machten stets das Beste daraus. Also standen sie reglos herum, beobachteten und warteten auf
ihre Chance, und die Wolfs hielten sich von den Feldglöcks
fern, und die Feldglöcks hielten sich von den Shrecks fern,
und … und so weiter und so fort. Offene Gewalt war sowieso
etwas Linkisches, Plumpes.
    Lord Crawford Feldglöck, Oberhaupt seines Clans, manövrierte gemächlich mit wachen Augen und breitem Lächeln
zwischen den Familien hindurch wie ein Hai, der sich in einem Schwarm von Heringen bewegte. Er war unterdurchschnittlich groß, aber dafür wog er überdurchschnittlich viel
und gab einen Dreck darauf. Die Feldglöcks hatten immer die
Ansicht vertreten, daß die Größe eines Mannes sich in der
Breite seiner Vorlieben äußerte, und Crawford Feldglöck war
weithin für seine zahlreichen Schwächen bekannt. Er war bereits über hundert, doch die moderne Wissenschaft hielt sein
Gesicht voll und faltenlos wie das eines Kindes. Was allerdings nichts am Intellekt des Mannes änderte, der noch immer
rasiermesserscharf und gefährlich war. Die Feldglöcks standen im Augenblick in der Gunst des Hofes, nicht zuletzt weil
Crawford so viele andere ans Messer geliefert hatte, die ihm
im Weg gewesen waren. Natürlich konnte niemand irgend
etwas beweisen. Die Gebräuche und das Protokoll waren immer eingehalten worden. Überall, wo Crawford Feldglöck
vorbeikam, nickten die Leute respektvoll und machten ihm
vorsichtig und weitläufig Platz. Er nahm es auf, als stünde es
ihm zu. Und wenn hin und wieder einer der niedrigeren Lords
hinter seinem Rücken das Gesicht verzog, gab Crawford
Feldglöck einen Dreck darauf. Er konnte es sich leisten.
    In seinem Kielwasser – und gelegentlich auch an seiner Seite – trieb wie ein kunterbunter Paradiesvogel Crawfords ältester Sohn und Erbe, Finlay Feldglöck, wie immer in die
schrillsten Seidengewänder gehüllt und mit dem leuchtendsten Schmuck behängt, den die neueste Mode hervorgebracht
hatte. Hoch aufgeschossen, elegant und modisch bis ins Detail, von den polierten Stiefeln bis hin zur samtenen Mütze
glitt Finlay nach allen Seiten hin lächelnd und hier und da
freundlich murmelnd zwischen den Lords und dem niedrigeren Adel hindurch und zeigte sich so vielen der Anwesenden
wie nur irgend möglich. Vielleicht sah er sogar ganz ansehnlich aus unter all der Kosmetik, die seinem Gesicht eine maskenhafte Starre verlieh, aber das war

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