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Der eiserne Thron

Der eiserne Thron

Titel: Der eiserne Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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Mitglieder
des Imperialen Parlaments. Sie repräsentierten die wirtschaftlichen Kräfte des Reichs, die Macht und den Einfluß des Geldes. Natürlich wurde nur denjenigen erlaubt, an Abstimmungen teilzunehmen, die über genügend Einkommen verfügten.
Wenn man nicht aristokratischer Abstammung war, stellte das
Parlament die einzige Möglichkeit dar, Zutritt zu den inneren
Kreisen der Regierung zu erhalten. Ein Mitglied des Parlaments mochte wohl angehalten sein, den Kopf vor einem Lord
zu beugen, wenn sie in den Straßen aufeinandertrafen, aber
während einer Audienz bei der Herrscherin zählten ihre
Stimmen gleich. Und wenn sich die Mitglieder des Parlaments
einmal einig gewesen wären, dann hätten sie die Versammlung der Lords mühelos in die Knie zwingen können wie ein
Rudel ungehorsamer Hunde. Aber das Parlament war in verschiedene oppositionelle Fraktionen gespalten, die in ständigem Streit lagen, und die Lords achteten sorgsam darauf, daß
sich dieser Umstand nicht so rasch änderte, indem sie ihren
Günstlingen heimliche Patronagen und gelegentlich auch größere Summen an Bestechungsgeldern zukommen ließen. In
der letzten Zeit hatte sich das Parlament zunehmend besorgt
über eine drohende Steuererhöhung gezeigt. Sie sollte der
Finanzierung einer Ausweitung der Imperialen Flotte dienen,
mit der man der möglichen Bedrohung durch zwei neuentdeckte Fremdrassen begegnen wollte.
Theoretisch war die Imperatorin durch das Gesetz an die
Entscheidungen des Parlaments und der Versammlung der
Lords gebunden – egal, wie diese Entscheidungen auch immer
zustande kommen und was sie auch immer beinhalten mochten. Theoretisch zumindest. In der Praxis sah es jedoch so aus,
daß die Herrscherin die Sitzungen verfolgte, wenn sie in der
Stimmung dazu war, und anschließend ihre eigene Meinung
durchsetzte. Löwenstein wußte die Armee und die Flotte im
Rücken, und solange das der Fall war, konnte sie niemand
dazu bringen, etwas zu tun, das ihr verdammt noch mal gegen
den Strich ging. Deswegen verursachte die Aussicht auf höhere Steuern und eine noch mächtigere Flotte auch eine Menge
verschwitzter Hände und schlaflose Nächte unter den Parlamentariern und den Lords. Man hatte einige Abgeordnete sagen hören, daß sie die Geschichte von den neuentdeckten
Fremden nicht glaubten, aber bisher hatte niemand gewagt,
öffentlich an dieser Nachricht zu zweifeln, geschweige denn
hier bei Hofe.
Andererseits war die Stellung Löwensteins nicht mehr so
unumstritten wie früher einmal. Eine große Anzahl nachgeborener Söhne der aristokratischen Oberschicht hatte – ohne die
Aussicht, eines Tages einen Titel zu erben – eine Karriere in
der Armee oder der Flotte angestrebt. Und wie diese jungen
Aristokraten in den Rängen emporstiegen, so wuchs auch ihr
Einfluß. Armee und Flotte waren Löwenstein XIV. nicht länger so blind ergeben wie noch vor wenigen Jahren.
Im Endeffekt lief alles darauf hinaus, daß die politische
Struktur am Imperialen Hof eher einem vollständigen Chaos
ähnelte als einer Regierung, und über allem thronte die Eiserne Hexe mittels schierer persönlicher Macht und gerissener
politischer Schachzüge.
Nach den Abgeordneten des Parlaments kam die große
Masse: Familienangehörige, politischer Anhang, Geschäftsleute und Offiziere und jeder und jede, die sich durch Bestechung, Betteln oder Diebstahl eine Einladung hatten verschaffen können. Der Imperiale Hof war die politische und soziale
Achse, um die sich das gesamte Reich drehte, und alle wollten
dort sein – oder zumindest, daß andere sie dort sahen … Man
war ein Niemand, wenn man nicht am Hof gesehen wurde.
Und schließlich, ganz zum Schluß, in abgetragenen Kleidern und mit verhärmten Gesichtern, erschienen die zehn
Bürgerlichen, die die jährliche Imperiale Lotterie gewonnen
hatten. Der Gewinn bestand aus einem Besuch bei Hofe, zusammen mit dem Recht, die Herrscherin persönlich um Beistand, Milde oder Gerechtigkeit anzuflehen. Selbstverständlich war es ein höchst riskantes Unterfangen, als Bürgerlicher
die Stimme bei Hofe zu erheben. Bürgerliche besaßen hier
keine Freunde, und manchmal war es besser, wenn die Imperatorin einen erst gar nicht bemerkte. Ihr Gerechtigkeitssinn
war höchst unberechenbar, obwohl sie hin und wieder zugunsten eines Bürgerlichen entschied – aber nur, um irgendwelche Aristokraten zu brüskieren, die ihr Mißfallen erregt hatten. Im großen und ganzen tendierten die

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