Der eiserne Thron
Banken von Nebelhafen deponiert
hast, Hazel? Du weißt schon, das Geld aus deiner Zeit als …
aus deinem letzten Beruf.«
»Ja«, erwiderte Hazel und funkelte Cyder düster an. »Die
Konten laufen unter falschem Namen. Es sollte nicht besonders schwer sein, an das Geld zu kommen.«
»Gut«, sagte Cyder. »Du wirst es brauchen. Nebelhafen ist
heutzutage ein ziemlich teurer Ort.«
Sie führte die beiden wieder nach unten in die Bar, die noch
überfüllter schien als zuvor. Der fröhliche Krach war beinahe
ohrenbetäubend. In einer Ecke des Lokals hatten zwei Frauen
einen freundschaftlichen Messerkampf begonnen und wurden
von einer dankbaren Menge angefeuert. Owen blickte mißtrauisch auf das Geschehen, während er Cyder und Hazel
durch das Gewühl folgte. Die zusammengedrängten Gäste
öffneten vor Cyder, die für jeden Besucher ein Lächeln und
ein Kopfnicken übrig hatte, eine Gasse. Plötzlich blockierte
eine alarmierend große Gestalt ihren Weg. Owen warf einen
Blick über Cyders Schulter, und unwillkürlich fiel seine Hand
auf den Griff seines Schwertes. Die Gestalt wischte Cyder mit
einer mühelosen Handbewegung zur Seite, als wäre sie ein
kleines Kind, und blickte grinsend auf Hazel herab. Owen
schien nur Luft für sie zu sein. Die Menge wich zurück und
schuf reichlich freien Raum. Sie wußten, daß man einem
Wampyr besser nicht in den Weg kam.
Owen musterte die grinsende Gestalt bedächtig. Er hatte
schon vom Wampyren gehört, aber er hatte noch nie einen
lebenden zu Gesicht bekommen. Es gab nicht viele Menschen, die einen Wampyr gesehen und lange genug überlebt
hatten, um anderen davon zu berichten. Man hatte die Wampyre geschaffen, um die treulosen Hadenmänner als Stoßtruppen des Imperiums zu ersetzen. Die biotechnisch aufgerüsteten Bewohner von Haden waren zu mächtig gewesen, um
kontrollierbar zu sein. Also hatten die Wissenschaftler des
Imperiums einen anderen Weg eingeschlagen und ein neues,
künstliches, unglaublich energiereiches Blut geschaffen, das
jeden Mann in einen unüberwindlichen Krieger verwandelte:
stark, schnell und selbstregenerierend. Der einzige Nachteil
bestand darin, daß man das Subjekt zuerst töten und das alte
Blut heraussaugen mußte, bevor man das neue Blut hineinpumpen und die Wiederbelebung einleiten konnte. Die Wissenschaftler erreichten schließlich eine Erfolgsquote von siebzig Prozent. Das reichte dem Imperium.
Das Resultat war ein lebender Toter. Wampyre spürten keinen Schmerz. Sie spürten auch keine Freude. Sie spürten
überhaupt nichts. Ihr einziges Vergnügen war der Kampf, und
der einzige Nervenkitzel das beschränkte Vergnügen mentaler
Befriedigung. Sie labten sich an den Qualen anderer, grausam
wie Killerkatzen und genauso geduldig und tödlich. Sie aßen
oder tranken nicht, doch ihr künstliches Blut mußte durch
regelmäßige Zufuhr menschlichen Blutes regeneriert und revitalisiert werden. Meist tranken die Wampyre es einfach, weil
sie den Effekt auf eventuelle Beobachter genossen.
Sie bildeten exzellente Stoßtruppen mit einem übertriebenen
Hang zur Gründlichkeit, und sie waren nur schwer wieder
zurückzurufen. Am Ende erwiesen sie sich als schlicht zu teuer für eine Massenproduktion, und zögernd wurde das Projekt
wieder eingestellt. Die verbliebenen Wampyre brauchten den
Kampf genauso wie das Blut, und so verstreuten sie sich auf
der Suche nach organisiertem Tod und Zerstörung durch das
gesamte Reich. Sie waren unbeliebt, wurden aber häufig eingesetzt, und so wuchs ihr Ruf: Die untoten Soldaten, die ihren
eigenen Tod genauso begierig suchten wie den ihrer Gegner.
Owen vermutete, daß es unausweichlich war, auf Nebelwelt Wampyren zu begegnen. Aller Abschaum fand sich hier ein.
Das Exemplar, das sich vor Hazel aufgebaut hatte, war beinahe zweieinhalb Meter groß. Geschmeidig und muskulös wie
eine Raubkatze, ging von ihm eine beinahe spürbare Bedrohung aus. Die Haut des Wampyrs war vollkommen farblos,
und Owen wußte, daß sie sich eiskalt anfühlte. Das Gesicht
war lang und kantig, flach mit hochstehenden Wangenknochen, und die Augen blickten starr und düster. Ein Lächeln
zog die bleichen Lippen auseinander, aber es spiegelte sich
nicht in den kalten Augen. Der Wampyr stand dort wie ein
Kämpfer im Ring, der auf den Gong wartete. Im Augenblick
war sein Blick auf Hazel fixiert, und Owen war froh, daß es
so blieb. Der Wampyr weckte die tiefverborgenen Urängste in
jedem, den er anstarrte. Owen
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