Der eiserne Thron
Minuten, bis er sich über die schwere eiserne Dachrinne auf das Giebeldach des Schwarzdorn geschwungen hatte. Einige Zeit kauerte er sich wie ein geisterhafter Wasserspeier zusammen und blickte über das sanfte Auf und Ab des
Dächermeeres in den grauen Nebel. Katze war zurück in seinem Element. Schließlich machte er sich über die Giebel des
Diebesviertels auf die Suche nach Hazel und Owen. Er fühlte
sich vollkommen sicher. Sie würden nie bemerken, daß ihnen
jemand folgte.
* vgl. S. R. Green, Nebelwelt (in Vorbereitung; Anm. d. Übers.)
Das Abraxas-Informationszentrum entpuppte sich als eine
einfache Etage über einer Bäckerei in einer stillen, heruntergekommenen Ecke des Händlerviertels. Der Geruch von
frischgebackenem Brot lag schwer in der Luft. Owens Magen
knurrte laut. Er dachte darüber nach, wie lange es her war,
daß er über einer vernünftigen Mahlzeit aus mindestens vier
Gängen gesessen hatte, und die Antwort deprimierte ihn.
Nach einem Zorn war er immer hungrig, und so setzte er sich
entschlossen in Richtung des Eingangs der Bäckerei in Bewegung. Aber Hazel packte ihn mit mindestens der gleichen Entschlossenheit am Arm und steuerte ihn am Eingang des Ladens vorbei zu der außen am Haus angebauten Treppe, die in
die erste Etage hinaufführte.
»Du kannst später noch essen, Aristo«, sagte sie ohne
Erbarmen. »Zuerst kommt das Geschäft.«
Owen schluckte und schmollte insgeheim, während Hazel
die knarrenden hölzernen Stufen hinaufstieg. Was auch immer
er sich vom Abraxus-Informationszentrum versprochen hatte
– seine Zuversicht sank in dem Augenblick, als er die Trostlosigkeit des Gebäudes in sich aufnahm. Es benötigte offensichtlich ein paar Reparaturen, einige davon sogar sehr dringend, und es war seit Jahrzehnten nicht mehr gestrichen worden. Owens Gewißheit, daß er hier keine Hilfe finden würde,
stieg von Minute zu Minute. Seine Ställe daheim auf Virimonde waren in einem besseren Zustand gewesen als dieses
Bauwerk hier. Er seufzte unhörbar. Virimonde schien in ferner
Vergangenheit zu liegen. Es war beinahe ein Schock für ihn,
als er sich daran erinnerte, daß er noch vor wenigen Tagen der
Lord des Planeten gewesen war und seine Welt einen Sinn
gehabt hatte.
Entschieden drängte er den Gedanken beiseite. Owen konnte sich nicht erlauben, dem nachzutrauern, was er einst gewesen war, sonst würde er noch verrückt werden. Er konzentrierte sich statt dessen auf Abraxus. Wahrscheinlich war es einer
dieser professionellen Informationsbeschaffer, mit Boten,
Angestellten und Kommunikationsleuten, die alle Informationen durch irgendeinen primitiven Lektron schickten. Owen
haßte den Gedanken an den veralteten Müll, den sie in diesem
Loch benutzen würden. Trotzdem. Jemand mit einem Ruf wie
Jakob Ohnesorg sollte relativ einfach aufzuspüren sein. Nicht,
daß Nebelhafen eine besonders große Stadt gewesen wäre.
Außerdem hatte Ozymandius die Adresse auch in seinen Datenspeichern gefunden, woraus sich eine Verbindung irgendeiner Art zwischen Abraxus und den verschlungenen Intrigen
seines Vaters herleiten ließ. Owen seufzte erneut. Er hatte die
meiste Zeit seines Erwachsenendaseins damit verbracht, sich
ein eigenes Leben aufzubauen und sich nicht in die Pläne und
Ambitionen seines Vaters verwickeln zu lassen, und hier
stand er und versank mit jedem weiteren Schritt tiefer und
tiefer in das Vermächtnis seines Vaters.
Er bemerkte gerade noch rechtzeitig, daß Hazel auf dem
oberen Treppenabsatz stehengeblieben war, um sie nicht anzurempeln. Owen legte die Hand um den Griff seines Schwertes, als seine Gefährtin mehr oder weniger freundlich an die
verschlossene Tür vor sich klopfte. Auf einer Messingplatte
an der Tür stand der Name Abraxus, sonst nichts. Keine Klingel, kein Türklopfer. Hinter der Tür schien sich nichts zu regen. Hazel war schon im Begriff, mit der geballten Faust gegen die Tür zu hämmern, als sie plötzlich aufgerissen wurde
und ein muskulöser Mann, beinahe so breit wie hoch, den
Rahmen ausfüllte. Er war ganz in schwarzes Leder mit metallenen Nieten gekleidet, und die eine Hälfte seines Gesichts
wurde von einer komplizierten, häßlichen Tätowierung verunstaltet. Er blickte Hazel und Owen schweigend an und zog
laut und unbeeindruckt die Nase hoch.
»Hazel d’Ark und Owen Todtsteltzer? Wurde allmählich
aber auch Zeit, daß Ihr kommt. Ich warte schon die ganze Zeit
auf Euch.«
Hazel und Owen waren sich noch nicht sicher,
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