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Der eiserne Wald

Der eiserne Wald

Titel: Der eiserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Howard
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sobald die Hitze nachlässt.«
    »Das mit deinem Freund tut mir leid«, sagte das Mädchen, während es aufstand. »Am liebsten würde ich sie alle freilassen.«
    »Warum tust du es dann nicht?«
    »Weil King Harvest verlangt, dass wir unsere Quote erfüllen. So oder so.«

Kapitel 22
    B ei Sonnenuntergang war ich kräftig genug, um aufzustehen, und machte mich flankiert von Alpha und Jawbone auf den Weg.
    Wortlos gingen wir durch Old Orleans und blieben nur stehen, wenn ich mich ausruhen musste. Mein Arm war immer noch geschwollen und schmerzte, und mein ganzer Körper war vollkommen ausgelaugt. Immer wieder stützte ich mich auf die Metallgeländer neben den Fußwegen, sah in den seltsamen, staubfreien Himmel hinauf oder bestaunte die Fundamente einst hoher Gebäude. Das braune Wasser unter uns war vollkommen still und erfüllte die Luft mit einer weichen, aber säuerlichen Schwüle.
    Die Piratenfrauen musterten mich eingehend, wenn ich vorbeiging, einige zwinkerten mir auch zu oder lächelten, aber es fiel mir schwer, die vielen Gesichter zu unterscheiden. Jawbone hatte die Lippen streng zusammengepresst, und die Frauen machten sofort Platz, wenn ihr Captain kam. Alpha jedoch scherzte mit ihren Kameradinnen und klatschte sie ab.
    Irgendwo brummten einige Generatoren, und plötzlich setzte auch die Musik wieder ein, scheppernde Gitarren und wummernde Trommeln, jeweils bemüht, die anderen zu übertönen.
    »Da wären wir«, sagte Jawbone schließlich. Wir standen mitten in der Stadt, am Rand einer freien, matschigen Betonfläche. Und in ihrer Mitte befand sich das, was sie mir zeigen wollten.
    Abrupt blieb ich stehen und versuchte benommen, diesen Anblick in mich aufzunehmen.
    Es war eine unglaubliche Arbeit. Überwältigend. Auch wenn die Jahre sie mit Rost überzogen hatten.
    Niedrige Kupferfarne mit vereinzelten Zypressen dazwischen. Palmwedel aus Zinn hingen an gebogenen Radspeichen. Dass die einzelnen Elemente so klein waren, verlieh dem Wald eine Weichheit und Leichtigkeit, die mir nie in den Sinn gekommen war. Ich hatte immer die größten und höchsten Bäume gewollt, war auf dem Gerüst immer ganz nach oben geklettert. Aber die fehlende Größe diente noch einem anderen Zweck: Sie betonte das, was in der Mitte des Waldes stand.
    Stolpernd bewegte ich mich auf die unfertige Statue zu. Dabei verfing ich mich im gezahnten Unterholz, so dass Alpha mich auffangen musste. Sie zog mich hoch, damit ich mich an sie lehnen konnte.
    »Was meinst du?«, fragte Jawbone und bewunderte gemeinsam mit mir das rostige Meisterwerk.
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, also schwieg ich.
    »Kannst du sie vervollständigen?«, fragte Alpha.
    Ich nickte.
    Ich konnte sie vervollständigen. Oder zumindest würde ich es versuchen. Denn das zehn Meter hohe Ding, das mitten in diesem Wald aufragte, war schöner als jeder Baum, den ich je gesehen hatte. Die Statue einer Frau, die beide Arme weit ausgestreckt und einen Fuß angehoben hatte, als würde sie tanzen. Und es war nicht irgendeine Frau. Obwohl der Kopf unvollendet war und die Haare fehlten, erkannte ich sie. Tief in meinem Inneren spürte ich es.
    Die Statue stellte die tätowierte Frau dar. Zees Mutter.
    Frosts Ehefrau.
    *
    Wer auch immer die Statue geschaffen hatte, hatte ihre Proportionen perfekt eingefangen. Er war ihr absolut gerecht geworden, hatte weder die Brüste zu groß noch die Beine zu lang gemacht. Das waren exakt ihre Schultern, genau ihr schlanker Hals. Aber eines riss mich völlig vom Hocker und machte mich wirklich sprachlos: die Art, wie der Baum nachgebildet worden war. Der Erbauer hatte ihm eine eigene Installation gewidmet und dann die beiden Statuen miteinander verwoben. Die stählernen Zweige waren so geformt, dass sie den Bauch der Frau umschlossen, die Blätter hingen frei, damit sie im Wind schaukeln konnten. Alles andere war verrostet, aber sie funkelten noch. Neugierig untersuchte ich ihre Textur.
    Messing, natürlich.
    Dünn, glänzend, perfekt. Und ich wusste, dass ich niemals auf Messing gekommen wäre, nicht in hundert Jahren.
    »Früher hat er auch geleuchtet und die Farben gewechselt«, erklärte Alpha. »Aber dann sind die Kabel kaputtgegangen.«
    »Woher stammt sie?« Vorsichtig schob ich mich näher ran.
    »Von hier«, antwortete Jawbone. »Wir hatten einen Handwerker hier. Einen Künstler. Das war noch bevor ich geboren wurde. Damals waren die Piraten noch vereint. Als wir die
Armee der versunkenen Sonne
bildeten.«
    »Und in dieser

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