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Der eiserne Wald

Der eiserne Wald

Titel: Der eiserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Howard
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nach ihr zu rufen, wirbelte sie herum und starrte mich so wild an, dass ich mir irgendwie nackt vorkam. Ich fühlte mich lebendig. Fremd. Und da begriff ich, dass es auf dieser Welt unzählige Dinge gab, die ich niemals verstehen würde.
    Obwohl sie sich nicht vom Fleck rührte, rannte ich los. Als ich bei ihr ankam, hielt ich sie fest, genauso wie ich gehalten werden wollte. Sie sank an meine Brust, und ich blickte über ihren Kopf hinweg auf die Ebene hinaus, wo die letzten Überreste von Harvests Truppen durch den Schlamm stolperten.
    Der Transporter lag zerstört und qualmend unter uns. Verwundert blickte ich auf die zerbrochene Hülle hinab, die ich am Tag zuvor noch für eine Stadt auf Rädern gehalten hatte.
    »So endet die Welt«, flüsterte Alpha an meiner Schulter.
    »Nein«, widersprach ich und drückte sie an mich. »Es gibt mehr als das.«
    *
    Es dauerte nicht lange, sie zu überreden. Während der Regen herabrauschte und es immer dunkler wurde, erzählte ich Alpha alles. All meine Geheimnisse. Alles, was ich wusste. Ich erzählte ihr von dem Tattoo, das auf einen Ort verwies, der anders war. Einen Ort, der nicht nur in einer alten Geschichte gefangen war oder in irgendeinem Lied aus der alten Welt festsaß. Ich erzählte ihr von meinem Vater. Und ich erzählte ihr von den Bäumen. Wie schön sie waren und dass sie noch so viel mehr waren als das. Dass sie etwas waren, wodurch man überleben konnte. Etwas, das Essen auf den Tisch brachte und in der Dunkelheit hell brannte. Und während ich redete, fragte ich mich plötzlich, ob mein Vater einst hier auf den Mauern dieser Stadt gesessen und ein Versprechen abgegeben hatte, während er eine Frau und durch sie die ganze Welt im Arm hielt und in die geheimnisvolle Nacht hinausblickte.
    »Und wenn wir sie nicht finden?«, fragte Alpha zitternd, während sich der kalte Regen mit dem Blut auf ihrer Haut vermischte.
    »Dann werde ich weiter welche bauen«, erwiderte ich. »So gut ich kann.«
    Sie sah mir ins Gesicht, als würde sie darin etwas lesen.
    »Da, wo sie meinen Dad hingebracht haben, könnten sie ja auch deine Mom hinverschleppt haben«, erklärte ich ihr.
    »Das ist verdammt lange her, Freundchen.« Sie starrte in die Stadt hinunter. Die Piraten versammelten sich unter uns und warteten darauf, dass sich ein neuer Captain meldete.
    »Ich glaube nicht, dass sie mitkommen können«, sagte ich mit Blick nach unten. »Falls du mich begleitest.«
    »Oh, ich werde dich begleiten, Freundchen. Wenn ich mit Bäumen zurückkomme, an denen etwas Essbares wächst, werden sie mich zur Königin aller Piratenarmeen machen.«
    Ich sah sie an. Ich wollte sie. Und ich wollte mehr für sie sein als nur ein Mittel zum Zweck. Ich wollte jemand sein, mit dem sie Wurzeln schlagen und ein Nest bauen würde.
    Sanft lehnte ich mich an sie. In diesem Moment hätte ich sie auch geküsst. Selbst wenn der Boden verklebt war mit Eingeweiden und ihr Gesicht vor Dreck starrte. Ich hätte sie geküsst. Oder es zumindest versucht. Aber dann schallte aus der Stadt eine Stimme zu uns herauf. Und diese Stimme gehörte keinem der Piraten.
    »Bist du das, kleiner Mann?«, rief Crow durch die Dunkelheit. »Bist du’s wirklich?«

Kapitel 30
    M ir rutschte das Herz in die Hose, als ich mich wieder in die Stadt hinunterschleppte. Inzwischen war es vollkommen dunkel, da die Wolken das Licht der Sterne erstickten und Schattenrisse vor den Mond zeichneten. Der Regen hatte sich zu einem leichten Nieseln reduziert. Überall lagen kaputte Versionen von Harvest herum, und die überlebenden Piraten drängten sich zu kleinen Gruppen zusammen. Nur Crow stand hoch aufgerichtet da und überragte alle. Und alles.
    Er hatte seinen Bart verloren. Sämtliche Haare auf seinem Kopf waren verschmort, und es waren nur Blut und Brandblasen zurückgeblieben. Seine zerfetzte, ausgefranste Kleidung hing an ihm herunter, als hätte er versucht, sie abzustreifen, dann aber auf halbem Wege aufgegeben.
    Crows Grinsen strahlte in der Dunkelheit, als ich auf ihn zukam. »Freut mich, dich zu sehen«, meinte er. »Obwohl du ungefähr so beschissen aussiehst, wie ich mich fühle.«
    »Du bist rausgekommen«, stellte ich fest. Als könnte ich es eher glauben, wenn ich es laut aussprach.
    »Allerdings. Leichen vor mir, Leichen hinter mir.« Crow starrte auf seine Hände und Unterarme. »Kann immer noch spüren, wie die armen Teufel an meiner Haut kleben.«
    »Gibt es noch mehr?«
    »Keine Ahnung. Der Riss im Rumpf war ziemlich

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