Der eiserne Wald
Agenten, der näher dran war. Das Blut, das mein Herz durch meinen Körper pumpte, schien eiskalt zu sein. Ich schloss die Augen und dachte daran, dass Pa mich brauchte, an seinen Körper, der gefesselt und an einen Baum gekettet war. Dass ihm jemand eine Waffe an den Kopf hielt und er verhungerte. Genau wie meine Mutter vor so vielen Jahren.
Ich drückte ab. Kaum hatte sich mein Zeigefinger angespannt, sackte der Agent auch schon zusammen und fiel auf die Erde. Der zweite zog seine Waffe und schoss auf mich, aber die Kugel prallte klappernd an der Seite des Führerhauses ab. Das war verdammt knapp gewesen.
Ich ging in Deckung. Alpha feuerte jetzt auf das Gefährt der Agenten, und der Lärm der Schüsse dröhnte in meinem Schädel. Ich musste wieder da hoch. Noch einmal schießen. Aber das war plötzlich meine geringste Sorge. Denn neben dem Knallen von Alphas Gewehr und dem Klappern von Kugeln auf Stahl ertönte nun noch ein anderes Geräusch. Ein schreckliches Geräusch.
Das Geräusch von Heuschrecken.
Kapitel 38
I ch schrie zu Alpha hoch, flehte sie an, sich in Bewegung zu setzen. Packte sie an der Weste und zerrte sie hinter mir her zur anderen Seite des Führerhauses. Ich stolperte, rutschte ab, wäre fast abgestürzt. Irgendwann hing ich nur noch an einem Arm und starrte genau auf den Schädel des Toten hinunter.
Das Geräusch war jetzt lauter, es klang wie das Quietschen eines kaputten Motors. Ich zog mich hoch, während Alpha an der Tür zum Führerhaus zerrte. Doch als sie aufschwang, rutschte Alpha ab. Und plötzlich hing sie wieder an den violetten Rohren. Drei Meter unter mir. Drei Meter zu tief.
Die Sonne verdunkelte sich, als der Heuschreckenschwarm uns erreichte. Sie schraubten sich vom Himmel herunter, während ich hastig unter das Führerhaus kroch, mich an einem Rohr entlanghangelte und die Hand ausstreckte.
»Geh«, schrie Alpha, aber ich hielt ihr einfach weiter die Hand hin, während der Schwarm immer näher kam. Dann sah ich auch unten Heuschrecken. Sie ergossen sich zwischen den Stauden hervor auf den Feldweg und umtosten den Häcksler wie eine Flutwelle.
Alpha streckte sich so hoch sie konnte. Die Heuschrecken wurden immer lauter, ihr heulendes Summen übertönte alles andere.
Endlich schloss sich meine Hand um Alphas Unterarm. Mit voller Kraft zog ich sie zu mir hoch. Das Rohr gab unter unserem Gewicht nach, aber wir waren schon weitergekrochen und sprangen zum Führerhaus hinauf. Da erreichten uns die Heuschrecken.
Ich spürte den Wind ihrer Flügel in den Haaren, und sie fraßen sich schon in meine Stiefel, als ich Alpha in die Kabine schob und dann herumwirbelte, um die Tür hinter uns zuzuschlagen. Sie knallten gegen die Fensterscheiben. Prasselten an die Wände. Eine schwarze Wolke. Schwirrende Flügel und scharfe, kleine Mäuler. Die Ausreißer, die es hineingeschafft hatten, trampelten wir tot, dann drängten wir uns in der Mitte des Führerhauses aneinander, drückten die Arme an die Ohren und pressten die Lider aufeinander.
Irgendwann wurde das Dröhnen zu einem Summen, dann ließ auch das nach. Licht drang durch die Scheiben. Sonnenlicht. Ich öffnete die Augen und sah aus dem Fenster. Beobachtete, wie die Heuschrecken über die Maisfelder glitten und dann plötzlich zwischen den Pflanzen verschwanden wie Steine, die im Wasser versinken. Wahrscheinlich fraßen sie jetzt irgendeinen Erntehelfer. Oder einen anderen armen Kerl, der sich auf die Plantage gewagt hatte.
»Sind wir in Sicherheit?«, flüsterte Alpha. Sie zitterte.
»Ja«, nickte ich. »Alles wieder sicher.«
Ich sah auf den Feldweg hinunter, wo die Gerippe der Agenten im Staub lagen. Falls in ihrem Fahrzeug noch jemand gewesen war, hatte der es sicher nicht geschafft. Alpha hatte die Windschutzscheibe zerschossen.
»Wir sollten zurückgehen«, sagte ich.
»Warte«, hielt Alpha mich zurück. »Sieh mal, da.«
Ich wandte mich nach Westen und blickte über die Maisstauden hinweg. Am Horizont sah ich einen schwarzen, zerklüfteten Schatten aufragen – Vega. Die imposante Skyline von Electric City.
»Wir haben es fast geschafft«, murmelte ich. Als ich mich zu Alpha umdrehte, sah sie mich mit leuchtenden Augen an. Ihre Lippen waren nur Zentimeter von meinen entfernt.
»Weißt du, was wir machen sollten?«, flüsterte sie.
»Einfach weiterfahren, bis wir da sind.«
»Nein.« Sie stupste ihre Nase gegen meine. »Jetzt, meine ich.«
Damit ließ sie sich zu Boden gleiten und zog mich mit sich. Mein Herz
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