Der eiskalte Himmel - Roman
Tabak in der Hütte an der Vahselbucht und harrten der Rückkehrer von der ruhmreichen Zu-FuÃ-Transversale ⦠vielleicht wäre es dann möglich, mit John Vincent zu reden und ihn vom Wert dieses Büchleins zu überzeugen.
Gelbrot wie Orangen liegt es in meiner Hand. Wochenlang war es gefroren, und ebenso lange habe ich es neben dem Fisch auf dem Herzen getragen, damit es auftaut und trocknet. Wer er war, Juggins, der Schiffsjunge des John Balleny, wissen nur sein Enkel, ich, mein Freund Bakie und dieses Buch. Ich werfe es über die Eiskante, und im Nu ist es versunken.
Bakewell hat Recht: Was soll ich mich um die Toten kümmern, wenn es gilt, dass wir am Leben bleiben? Ein täglich schmalerer Grat trennt uns von Verhungern, Erfrieren oder Ertrinken. Wenn wir bisher vom Glauben zehrten, wir hätten es geschafft zu überleben, so müssen wir allmählich einsehen, dass wir im Grunde seit Monaten bloà damit beschäftigt sind, unser Sterben hinauszuzögern. Es ist Anfang April. Der nächste Winter steht uns bevor. Noch fliegen die Sturmschwalben und Skuas, sicheres Zeichen für offenes Wasser. Und nachts hören wir Wale die Schollen zertrümmern und an der Luft blasen. Doch die Damen und Herren Robben tummeln sich in anderen Breiten. Unsere Vorräte sind fast aufgebraucht. Da es kein Blubber mehr gibt, können wir die Ãfen nicht mehr befeuern, daher essen wir die verbliebenen Fetzen Pinguin- und Robbenfleisch roh, halb verdorben, halb gefroren. So abscheulich sie schmecken und so erniedrigt man sich dabei vorkommt, der Hunger ist stärker und noch stärker die Angst, zusammenzubrechen und im Moment des Aufbruchs zu schwach zu sein, um vom Eis ins Boot zu kommen. Hunger und Angst, beides zusammen schafft nackte Verzweiflung, und sie stoppt kein ausgedachtes Rezept mehr, kein Spiel und kein Sir Ernest Shackleton. Alle die Monate, all die Zeit an Bord und in den beiden Lagern auf dem Eis ist nie auch nur ein Brocken Kakao aus den Vorratskisten verschwunden. Doch als die Scholle zerbricht und wir uns auf einer überschwemmten und so winzigen Platte wiederfinden, dass, auch wenn wir noch Kraft dazu hätten, wir nicht FuÃball darauf spielen könnten, da fehlen eines Morgens die letzten Stücke Fleisch in Greens Eistruhe. Und selbst Wilds Gebrüll ändert nichts mehr daran, dass der Dieb unerkannt bleibt. Denn wir sehen alle gleich aus, betrübt und entsetzt und verängstigt und hungrig.
Wild erschieÃt die letzten Hunde. Und nach langem Hin und her verrät McNeish das Versteck der Katze. Wild erschieÃt auch sie. Von da an besteht unsere Tagesration aus 200-Gramm Hundedörrfleisch, drei Würfeln Zucker, einem Keks und einem halben Becher in Wasser gelöster Trockenmilch. Das übrige Wasser ist tabu. Es wird aufgespart für die Bootsfahrt und unter Bewachung gestellt. Wer trinken will, nimmt sich eine Tabakdose voll Eis in den Schlafsack mit und lässt es von der Körperwärme schmelzen. Eine Nacht ergibt einen Esslöffel Wasser.
Die Zeit der herzerwärmenden Kabbeleien ist vorbei. Es gibt offenen, bösen Streit. Jimmy James wird bezichtigt, sich nie zu bedanken, Orde-Lees wirft man Geiz vor. Als er eines Nachmittags entkräftigt zusammenbricht, weil er sich die Hälfte der Tagesration für den Abend aufgespart hat, lassen ihn Vincent, Stevenson und McNeish auf dem Eis liegen. Shackleton erkennt Vincent noch am selben Tag den Bootsmannsrang ab und degradiert ihn zum einfachen Matrosen.
»Sie schimpfen mich Jude«, sagt Orde-Lees abends im Zelt, »und Wild lässt es geschehen.«
Am Morgen nach einer Regennacht sind die Boote bis zur Hälfte in die aufgeweichte Scholle gesunken. McNeish weigert sich, mitzuhelfen, die JAMES CAIRD zurück aufs Eis zu ziehen.
»Was ist da los?«, brüllt Shackleton von der DUDLEY DOCKER herüber. Mit ein paar Schritten ist er bei unserem Hauptboot.
Worsley erstattet Bericht: »McNeish hier meint â¦Â«
Shackleton fällt ihm ins Wort, es ist das erste Mal: »Halten Sie Ihre Männer zur Arbeit an, Käptân. Bewegt euch, das ist ein Befehl!«
McNeish rührt sich nicht. Das einzig Helle in seinem Gesicht ist das WeiÃe in den Augen, mit denen er den Sir anstarrt.
Und er sagt: »Sie haben keinerlei Befugnis.«
Und Shackleton: »Reden Sie mit mir nicht über Befugnisse! Wer hat Sie befugt, 20 Männer hier herumstehen und
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