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Der eiskalte Himmel - Roman

Der eiskalte Himmel - Roman

Titel: Der eiskalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Vincent etwas von den Büchern erzähle, die ich über Kapitän Scotts Rückmarsch vom Pol gelesen habe. Immer wieder, ganz so wie ich meinen Bruder damit gelöchert habe, fragt einer der beiden, warum Scott, Bowers und Wilson sterben mussten. Warum fehlte ihnen im Schutz ihres Zeltes die Kraft, das Ende des Blizzards abzuwarten? Wo war der Fehler? Vincent machen diese ungelösten Fragen so zornig, dass er sich fluchend in den Schlafsack verkriecht. Ich weiß keine Antwort, nicht ohne die Bücher. Und Crean, der seinerzeit von Scott zurückgeschickt wurde und nur deshalb die Tragödie am Pol überlebte, Tom Crean, der mitanhört, was ich flüstere, während ich Bakies Arm versorge, der irische Riese, wie Scott ihn nannte, Crean flickt im Flämmchenlicht des Kochers seine Hose und schweigt.
    Vier Stunden lang segeln wir inseleinwärts. Je näher wir der Buchtspitze kommen, umso mehr Vögel sehen wir in den Lüften und auf den Klippen der Felsenufer. Kurz nach Mittag ziehen wir die CAIRD auf einen sanft abfallenden Strand aus schwarzem Sand und Kieseln. Eine See-Elefantenkolonie hat in der Nachbarschaft ihr Winterquartier bezogen. Auf der Stelle schicken die Tiere zwei Jungbullen als Kundschafter zu uns herüber. Es sind so viele, dass Worsley, Bakewell und Vincent auf unabsehbare Zeit mit Nahrung und Brennstoff versorgt sein werden. Sollten wir drei anderen in eine Gletscherspalte stürzen, sollten wir erfrieren oder verhungern oder alles zusammen, können die drei bis zum Frühling ausharren. 250 Seekilometer sind es mit dem Boot um die eisfreie Insel bis nach Stromness. Fragt sich, wie viele Mann auf der Elefanten-Insel im Frühling noch am Leben sein werden.
    Wir kippen die JAMES CAIRD in sicherer Entfernung zur Hochwasserlinie. Die hölzerne Höhle erhält einen dichten Sockel aus Steinen, einen Teppich aus Bültgras und einen Wall gegen den Wind. Nach der Familie von David Copperfields Amme nennt Worsley das Lager Haus Peggotty.
    Drei Tage lang halten uns Nebel, Regen und Schneetreiben davon ab, aufzubrechen. Wir nutzen die Zeit, um Haus Peggotty so behaglich wie möglich einzurichten, Vorräte anzulegen und die Marschausrüstung wieder und wieder zu überprüfen. Um den Routenverlauf festzulegen, unternimmt Shackleton lange Ausflüge auf einen steilen, schneebedeckten Hang im Nordosten, Wanderungen, während deren er hin und her überlegt und, wie er sagt, Zwiesprache mit Frank Wild hält. Er vermisst Wild, so sehr, dass er oft sogar Crean, ohne es zu merken, mit Wilds Namen anspricht. In unserer siebenten Nacht auf Südgeorgien, der Vollmondnacht auf den 17. Mai, deren Licht Shackleton für den Marsch fest eingeplant hatte, ist er so unruhig, dass er statt zu schlafen Stunde um Stunde Nägel aus den überflüssig gewordenen Bootsplanken zieht. Kaum dass wir anderen wach sind, bittet er Crean und mich um unsere Schuhe und schlägt die Nägel in die Sohlen, genau acht Stück in jeden Stiefel.
    Mit Crean kommt Shackleton überein, dass wir unabhängig von der Wetterlage in der nächsten Nacht aufbrechen werden, und zwar lediglich mit leichtem Gepäck. Die drei Schlafsäcke verbleiben bei den Wartenden, die Überlandmannschaft soll während des dreitägigen Marsches im Wechsel schlafen, immer überwacht von mindestens einem, der unter keinen Umständen einnicken darf. Jeder trägt seine Zuteilung an Schlittenrationen und Zwiebacken selbst. Verteilt werden Primuskocher und Brennstoff für sechs warme Mahlzeiten, ein kleiner Kochtopf, eine Schachtel Zündhölzer, zwei Kompasse, ein Fernglas, ein 15-Meter-Seil und die Eisaxt. Es sind keinerlei persönliche Dinge erlaubt.
    Er dulde keine Ausnahme, sagt Shackleton und zeigt auf mein Herz, auf Ennids Fisch. »Das gilt auch für Ihren Talisman, Merce.«
    Dann liest er vor, was er in Worsleys Tagebuch geschrieben hat:
    Â»Kapitän, ich stehe kurz vor dem Versuch, die Ostküste Südgeorgiens zu erreichen, um Hilfe herbeizuholen. Ich übergebe Ihnen die Verantwortung für Mister Bakewell, Mister Vincent und Sie selbst. Sie haben reichlich Robbenfleisch, das Sie nach Maßgabe Ihrer Tüchtigkeit mit Vögeln und Fisch zu ergänzen wissen werden. Ihnen bleiben u. a. eine doppelläufige Flinte und 50 Patronen. Für den Fall, dass ich nicht zurückkehre, rate ich Ihnen, den Winter abzuwarten und zur Ostküste zu

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