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Der eiskalte Himmel - Roman

Der eiskalte Himmel - Roman

Titel: Der eiskalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Milch, wie er trinken mag. Shackleton erteilt Schlaforder: Vincent, der vor rheumatischen Schmerzen minutenlang kaum ansprechbar ist, erhält einen Schlafsack für sich, den zweiten teilen sich Crean und Worsley, den dritten unser Verletzter und ich. Sir Ernest übernimmt die erste Zweistundenwache, er pendelt zwischen Grotte und Boot. Vor dem Zapfenvorhang bricht die Dunkelheit herein, und in unserem Unterschlupf wird es rasch vollkommen finster, vollkommen still.
    Unten am Ende des Schlafsacks verkeilen sich unsere Stiefel. Ich halte Bakewell im Arm.
    Â»Schscht! Ruhig … ganz ruhig …«, sage ich nah an seinem Ohr und streichle ihm die verschwitzte Stirn, wenn in seinem Innern eine neue Schmerzwelle anrollt und sich sein Körper zusammenkrampft.
    Â»Ist gut«, flüstere ich, »alles ist gut. Du hast es geschafft, lieber, lieber Bakie, kein Wasser mehr da.«
    Er bibbert und murmelt. Der Arm, der ihm das Leben gerettet hat, ist unter dem Overall hart wie ein Stück Holz, und dort, wo ihn der Klüverbaum unter sich begrub und festhielt, ist das Fleisch schenkeldick geschwollen. Bei jeder Berührung stöhnt er dumpf auf, so lange, bis ich die Hand fortnehme.
    Â»Bakie, du, ich muss schlafen«, keuche ich. »Ich sterbe vor Müdigkeit. Und du musst auch schlafen, hörst du? Schlaf jetzt! Es ist alles vorbei, alles ausgestanden, und es gibt nichts zu tun für dich. Du kannst einfach hier liegen und dich ausruhen. Und morgen sind deine Sachen trocken und die Sonne scheint, dann werden wir den Arm kühlen und er bekommt eine Schiene. Ich gehe nicht weg, ich schlaf bloß ein bisschen!«
    Ab und an weckt mich sein Schlottern oder ein besonders lautes Stöhnen, ansonsten aber schlafe ich, schlafe tief und bewusstlos wie nie zuvor in meinem jungen, doch an Schlaf wahrlich nicht armen Leben. Als Worsley mich weckt, ist es noch nicht ganz Tag. Es regnet. Im Grotteneingang sind mehrere Zapfen von der Decke gestürzt, und durch die entstandene Zahnlücke pfeift spottend der Wind. Crean, der die zweite Wache übernommen hat, schläft, er schnarcht in Shackletons Arm.
    Â»Sind Sie bei Kräften?«, fragt Worsley mit freundlichen Augen, und als ich nicke, sehen wir nach Bakewell. Bleich ist er, doch er schläft, und seine Stirn ist kühl und völlig trocken.
    Drei Tage lang verlassen wir die Grotte nur, um das Boot zu sichern oder auf Jagd nach Essbarem zu gehen. Albatrosse nisten auf einem Hang über den Klippen; Shackleton schießt einen Jungvogel und dann auch die Mutter. So groß und so schwer ist das Tier unter meinen Händen, dass ich mir ausmale, wie es sein muss, einen Engel zu rupfen. Ein ganzes Segel voller Bültgras bringen Crean und Worsley von den Klippenhängen mit; sie legen die Grotte damit aus, und ich zweige uns ein paar Büschel ab und verkoche sie im Albatroseintopf. Wir essen und schlafen, essen, trinken, schlafen. Wir essen, trinken, rauchen, plaudern und schlafen tagelang. Am dritten Abend in der Grotte gleichen wir zwar noch immer langhaarigen Gerippen. Shackleton, Worsley, Crean und ich sind aber so weit ausgeruht und zu Kräften gekommen, dass es uns keine große Mühe bereitet, McNeishs hölzernes Oberwerk und die Behelfsabdeckung von der CAIRD zu entfernen. Wenngleich sie dem Boot weiteren Halt nimmt, ist die Maßnahme notwendig, denn Shackleton beschließt, den beiden Verletzten nur noch eine Ruhenacht zu gönnen, bevor wir zehn Kilometer tiefer in die König-Haakon-Bucht eindringen und zu ihrer Spitze segeln wollen. Die Seekarte verzeichnet dort gastlicheres, Fjordküsten ähnelndes Gelände, Strände, flach genug, um das nun viel leichtere Boot auch zu viert über die Hochwasserlinie zu ziehen. Geschützt vor den winterlichen Seewinden, sollen die drei, die dort zurückbleiben, unter dem gekippten Boot ausharren. 55 Kilometer, zehn weniger als von der Grotte aus, beträgt laut Worsleys Berechnung die Entfernung von der Buchtspitze über das Gebirge im Inselinnern bis zu den Walfangstationen von Stromness und Husvik an der Nordküste. Worsley erklärt dazu, er sei ein Seemann und kein Bergsteiger. Er sagt uns damit nichts anderes, als dass er bereit ist, bei Bakewell und Vincent zu bleiben. Shackleton, Crean und ich sollen den Marsch wagen.
    Bei stürmischem Regenwetter verbringen wir einen weiteren Tag in der Grotte, wo ich Bakewells Armschiene erneuere und ihm und

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