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Der eiskalte Himmel - Roman

Der eiskalte Himmel - Roman

Titel: Der eiskalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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lang ist und die von nichts anderem ins Eis geschnitten worden sein kann als von Stürmen, die hier seit weiß der Himmel wie vielen Jahrhunderten herumtoben.
    Auch dem von mir angeführten Aufstieg auf den zweiten Kamm ist kein Glück beschieden. Alle 20 Minuten liegen wir mit von uns gestreckten Gliedern im Schnee, atmen tief die dünne Luft ein und ruhen aus vom Steigen, Seilspannen und Stufenschlagen. Gegen drei Uhr nachmittags blickt Shackleton über die Kammlinie, eine Kuppe aus hellblauem Eis, und schüttelt, das Fernglas auf der Nase, doch nur wieder den Kopf. Erneut ist es Crean, dem das Entscheidende nicht entgeht. Unten in den östlichen Tälern ziehen Nebelbänke auf, und auch hinter uns kommt über die See von Westen her der Abendnebel heran. Unsere Höhe schätzt Crean auf 1400 Meter. Wir sind zu hoch, viel zu hoch, um ohne Schlafsäcke, nur mit unseren zerschlissenen Schneeanzügen, die Minustemperaturen der Nacht überleben zu können.
    Â»Was würde Frank Wild jetzt wohl machen?«, fragt Shackleton ins Pfeifen des Windes hinein, und als weder Crean noch ich etwas erwidern, denn zumindest ich habe nicht das Gefühl, dass Shackleton eine Antwort erwartet, sagt der Sir leise und so warm, als läge der Zwerg Boss tatsächlich in einer seltsam kleinen Schneekuhle bei uns: »Komm, Frank, gib mir einen Tipp, alte Spürnase.«
    Trotz des Risikos, dass uns der Nebel einschließen könnte, entscheidet er sich dafür, diesmal nicht abzusteigen, um auf den verbleibenden dritten Hang zu gelangen. Nach einer kurzen Rast beginnen wir stattdessen ein Stück weiter unten, Stufen ins Eis zu schlagen, die um den Gipfel herumführen. Es ist eine, wie Cook genäselt hätte, eindrucksvolle Arbeit, die wir uns da machen, um einem namenlosen Berg auf der letzten Insel der Welt eine Galerie auf den Rücken zu bauen. In weichem Bogen führt der Stieg zum dritten Kamm hinan. Jede dritte Stufe schlage ich, und Shackleton und Crean sind so schnell mit den ihrigen fertig, dass ich kaum einmal nach Luft japsen kann, schon ist die Reihe wieder an mir.
    Drei! Überall drei!, schießt es mir in dem stundenlangen Taumel immer wieder durch den Sinn. Drei Boote hatten wir. Wir haben drei Mann zurückgelassen. Drei Gipfel und drei Kämme hat der Berg. Scott, Bowers und Wilson, sie waren zu dritt, waren drei, drei, wie wir es sind.
    Der dritte Kamm läuft so spitz zu, dass sich Shackleton rittlings darauf setzen kann. Außer Atem keuchend, blickt er durch das Fernglas. Der Nebel hüllt das Tal inzwischen völlig ein, so viel lässt sich auch mit bloßem Auge sehen. Die Sonne geht unter, es ist schneidend kalt geworden.
    Â»Sei’s drum, los, kommt, es muss gehen!«
    Er klettert hinüber, und drüben beginnt er auf der Stelle, die erste Stufe ins Eis zu treten. Crean folgt ihm, dann ich. Meine Beine sind wie abgestorben.
    Schon nach wenigen Metern Abstieg geht der Harsch in weicheren Schnee über, laut Crean ein mögliches Zeichen dafür, dass der Hang abflacht. Doch wetten will er darauf nicht. Stufen brauchen wir nur noch selten zu schlagen, dennoch kommen wir kaum schneller voran, so dicht werden die über den Hang heraufziehenden Schwaden. Und es dauert nur wenige Minuten, und wir stehen mit einem Mal mitten im Nebel.
    Shackleton löst sein Sicherungsseil vom Gürtel und weist Crean und mich an, dasselbe zu tun. Crean protestiert, aber Shackleton lässt nicht mit sich verhandeln.
    Â»Du machst, was ich befehle«, fährt er Crean an, mit dem er noch nie so geredet hat, und in kaum weniger scharfem Ton sagt er zu mir: »Dasselbe gilt für dich, Frank. Holt euren Blechteller heraus. Legt das Seil so zusammen, dass es eine kreisrunde Matte ergibt. Legt sie auf den Teller und setzt euch drauf. Wir werden rutschen.«
    Â»Das ist Wahnsinn«, keucht Crean. »Wer weiß, was da unten ist.«
    Dennoch gehorcht er, er faltet den Strick und platziert ihn auf dem Teller, wie es Sir Ernest vormacht.
    Â»Wenn wir nicht erfrieren wollen, ist es unsere einzige Chance«, sagt Shackleton. »Wir rutschen zusammen, ich als Erster, so dass ihr, falls ich abstürze, euch mit etwas Glück werdet retten können. Ist das akzeptabel für dich, Tom Crean?«
    Crean nickt.
    Â»Frank?«
    Auch ich nicke. »Einverstanden. Obwohl ich nicht Frank Wild bin, Sir.«
    Â»Verzeihung. Den ganzen Morgen habe ich das

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