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Der eiskalte Himmel - Roman

Der eiskalte Himmel - Roman

Titel: Der eiskalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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McLeod«, sagt Bakewell über den Tisch.
    Und sofort Vincent: »Sachte, sachte, Mister Yankee Doodle.«
    Die Stimmung im Ritz ist nicht länger heiter, und ich bin mir nicht sicher, ob das Shackletons Absicht war. Er verzichtet darauf, meine Ausführungen zu kommentieren, lässt sie lieber auf die Männer wirken, und erst als die Runde sich allmählich auflöst, nimmt er mich beiseite und entschuldigt sich für den Überfall.
    Â»Schon in Ordnung, Sir.«
    Er ist sehr ernst und flüstert fast. »Merce, Sie wissen, es kann sein, dass wir das Schiff verlieren. In diesem Fall werden wir keine Bücher mitnehmen können. Dann wären Sie und ich die Einzigen, die sie gelesen haben.«
    Â»Yesser.«
    Â»Wann werden Sie sie alle gelesen haben?«
    Ich weiß darauf keine Antwort. Es gibt Bücher, die ich noch einmal lesen müsste, und es gibt welche, die ich vor mir herschiebe, weil ich weiß, wie finster sie enden. Es gibt genug Männer auf der ENDURANCE , die darin vorkommen.
    Â»Gehen Sie davon aus, dass Sie noch ein halbes Jahr haben«, sagt er mit einem Blick, der mir zu verstehen gibt, woran er keinen Zweifel mehr zu haben scheint.
    Ich begleite ihn an Deck. Ein schwaches Südlicht steht am Himmel, und der Lichtschein zweier Sturmlampen erhellt den Backbordhalbkreis der Hunglus, wo Macklin und Hurley die Nachtfütterung vornehmen.
    Â»Sie wissen, wer der Mann in der Nische war«, sagt er, als er sich schon zum Gehen gewendet hat. »Der, der Angst hatte, die anderen auf der BELGICA würden ihn umbringen.«
    Â»Ja, es war Amundsen, Sir.«
    Â»Ein feiner Zug, dass Sie es nicht erwähnt haben. Gute Nacht!«
    Zum Schlafen kommt Shackleton in dieser Nacht unterdessen nicht so schnell. In der zur Viererkajüte umgezimmerten Offiziersmesse, die die darin hausenden Wild, Crean, Marston und Worsley »Die Stallungen« genannt haben, stellt der stockbetrunkene Greenstreet seine musische Seite unter Beweis und führt ein Zweimannstück auf, dessen Rollen Lord Effingham (mit Rußbart) und Mister Charcot (mit Rußbart und Monokel) er der Einfachheit halber beide selbst übernimmt. Ausgebuht wird er von einer bunt verkleideten Gruppe von Raufbolden. Uzbird Hussey hat sich mit Pflaumenmus ein blaues Auge gemalt. Unentwegt zerrt er an einem kleinen Jungen herum, der piepsig greint, an Frank Wild erinnert und von Frank Wild gespielt wird. Eine Flasche Malzwhiskey macht die Runde. Als sie leer ist und durch das offene Bullauge aufs Eis fliegt, entscheidet die Mehrheit, in Sir Ernests Kajüte umzuziehen, wo weitere Spirituosen vermutet werden. Shackleton wird ein Ständchen gebracht, er spendet Beifall, ist aber nicht bereit, den Alkohol herauszugeben. Stattdessen besticht er uns mit Schokolade und vertreibt uns schließlich mit der Androhung, Sonette aufzusagen.

4
Die antarktische Uhr
    B ei Temperaturen von zwischen minus 30 und minus 40 Grad geschehen unvorhersehbare Dinge. Einmal schütte ich einen Becher kochend heißen Wassers aus, und es gefriert, noch bevor es den Plankenboden erreicht. Wenn man zu lange blinzelt, frieren die Augenlider zusammen, was im ersten Moment immer einen furchtbaren Schock bedeutet. Nach langen Aufenthalten im Freien schmiegen wir uns wie die Katze an den Ofen. Und leckt man dann an einer Stelle über die Sachen, die man ausgezogen hat, und presst die Stelle an die Kajütwand, bleiben die Joppe oder der Pullover wie durch ein Wunder daran hängen. Man soll nicht glauben, dass es ab bestimmten Temperaturtiefen egal ist, ob die Luft nun minus 20 oder minus 37 Grad misst. Es ist ein Unterschied wie zwischen Frühling und Hochsommer, bloß auf der anderen Seite der Empfindung, dort, wo es keine Jahreszeiten gibt.
    Ende Mai und Mitte Juni, zwischen dem 125. und 145. Tag im Eis, veranstalten wir zwei Wettkämpfe, die trotz bitterer Kälte die gesamte Mannschaft in ihren Bann ziehen. Tagelang ist auf der etwas windstilleren Steuerbordseite ein Spielfeld planiert worden, und als die sechs Sturmlampen, die an Deck zur Verfügung stehen, darauf gerichtet sind, pfeift der Sir, der es sich nicht nehmen lässt, Schiedsrichter zu sein, eines Vormittags in diesem dämmerigen Flutlicht das auf volle 90 Minuten angesetzte Fußballspiel an: Die Vahsel Bay Wanderers mit weißen Unterhemden über den Schneeanzügen kicken gegen Weddell Sea United, die die klaren Favoriten sind;

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