Der Eisplanet
vorausgegangen sei, die eine solche Reaktion verständlich mache. Aber ihm war klar, daß das Gericht in Wirklichkeit die Frage beraten würde, ob er nach minervischen Kriterien zurechnungsfähig oder unzurechnungsfähig war. Gelang durch eine geschickte Argumentation die gerichtliche Feststellung seiner Unzurechnungsfähigkeit, so war Dr. de Skuns Unsterblichkeitsprojekt, wie Idris begriff, am Ende angelangt. In gewissem Sinne standen zwei Männer vor Gericht. Indem Idris zu seinem Verteidiger Dr. de Skun ernannte, versicherte er sich nicht bloß der Hilfe jenes Mannes auf Minerva, der am meisten über ihn wußte, sondern gab ihm auch Gelegenheit, sein Projekt öffentlich zu vertreten.
Die Verhandlung dauerte nicht lange. Schon bald sah Idris ein, daß das Urteil bereits vor Verhandlungsbeginn festgestanden hatte. Später erfuhr er, daß drei der Vorsitzenden Mitglieder der TT-Partei waren. Sie nutzten die Verhandlung, um weitschweifende Grundsatzerklärungen über traditionelle Werte und deren Erhaltung und Pflege abzugeben. Dr. de Skun hielt sich tapfer. Ohne Rücksicht auf die Tatsache, daß seine eigene Tochter Hauptzeuge der Anklage war, unterwarf er sie unbarmherziger Kritik, indem er aufzeigte, daß sie im Widerspruch zu ihren professionellen Aufgaben mit dem Angeklagten ein Intimverhältnis eingegangen sei und ihn im Glauben belassen habe, sie empfände einzigartige Gefühle für ihn. Zu Zylonias offensichtlichem Unbehagen erläuterte er Details aus Idris' Geschlechtsverhalten, das man auf der Erde als gängig erachtet habe und das lediglich nach minervischen Gepflogenheiten als ungewöhnlich aggressiv und plump gelte. Er verwies darauf, daß Idris Hamilton das Produkt einer Kultur sei, in der sexuelle Abhängigkeit eine geduldete Norm gewesen wäre. Aus diesen Gründen sei es verständlich, daß eine Person aggressiv reagiere, wenn eine andere Person, zu der sie ein Intimverhältnis pflege, von einer dritten Person unerwartet begehrt werde. Im Rahmen der terranischen Kultur, wie sie vor fünftausend Jahren bestanden habe, sei eine solche Reaktion völlig normal gewesen. Dr. de Skun erwies sich mit seiner Argumentation als brillanter Verteidiger. Logisch führte er aus, daß Idris Hamiltons Tat auf der Vorshinski-Farm zwar außergewöhnlicher Art gewesen sei, sich aber in der Tat innerhalb der Grenzen jenes Verhaltensspektrums befinde, das man bei einem typischen Menschen der Erde schlichtweg annehmen müsse. Aber es half nichts.
Aufgrund der mentalen Instabilität des Angeklagten, an der man keinerlei Zweifel aufkommen ließ, hielt man es für angemessen, ein mildes Urteil zu sprechen. In seiner Begründung versäumte der Vorsitzende des Lokalrats von Vorshinski City es nicht, Dr. de Skun und sein Projekt scharf zu kritisieren. Er äußerte die Ansicht, daß Forschungen und Experimente, die das menschliche Hirn betrafen, strengen Beschränkungen unterworfen werden sollten. Er habe, so sagte er trocken, vor Dr. de Skun in dessen Eigenschaft als Wissenschaftler und für seine Motive den allerhöchsten Respekt. Doch womöglich habe sein Enthusiasmus ihn für gewisse psychologische und moralische Gefahren der Hirntransplantation blind gemacht. Menschen seien schließlich keine Tiere mehr, sondern Geschöpfe mit einem fein ausgeglichenen Verhältnis von Ratio und Emotion. Obwohl die Restaurierung des Erdenmenschen Idris Hamilton einschließlich der Transplantation seines Hirns unter technischen und physischen Aspekten als gelungen zu bezeichnen sei, müsse man die Gefahr mentaler Verkrüppelung ernst genug nehmen und daraus berechtigte Zweifel an der Nutzbarkeit derartiger Techniken ableiten.
Damit fand er sich jedoch beileibe nicht ab. Der Vorsitzende des Lokalrats von Vorshinski City, Arman Bilas, war ein durch und durch hochtrabender Mann. Er schweifte ab und begann über die Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaft zu sprechen. Die Wissenschaft, so erläuterte er ausgedehnt, sei eine viel zu ernste Angelegenheit, um sie den Wissenschaftlern allein überlassen zu können. Er hoffe, daß der vorliegende Fall – der glücklicherweise nicht so schlimm sei, wie er schließlich hätte werden können – den Zentralrat der fünf Städte anrege, den Wert gegenwärtig laufender Forschungsprojekte eingehend zu überprüfen. Sicherlich fände sich für manchen Wissenschaftler ein Platz, an dem er weitaus nützlicher wirken könne. Endlich bequemte er sich zum Schlußwort. »Idris Hamilton, Sie wurden des
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