Der Eisplanet
verhielten. Die Befürworter – zumeist jüngere Leute, Wissenschaftler, Techniker und ähnliches – fragten ihn hauptsächlich nach seinen Erinnerungen an die Erde. Die das Projekt ablehnten – Administratoren, manche Lehrer und viele ältere Frauen –, erkundigten sich vornehmlich nach seinen Eindrücken und seiner Meinung von der minervischen Gesellschaft. Idris durchschaute die meisten der verfänglichen Fragen und trat nach bestem Vermögen diplomatisch auf. Insgesamt war Zylonia recht zufrieden mit ihm.
Sie nahm ihn mit zur Vorshinski-Farm. Jede der fünf Städte besaß eine eigene Farm für Naturprodukte, die neben den hydroponischen Plantagen und Proteinfabriken betrieben wurde. Synthetische Fleisch-, Fisch- und Käseprodukte gehörten zu den üblichen Komponenten der minervischen Ernährung. Natürliche Nahrungsmittel wurden jedoch ebenso produziert, vorwiegend für Kinder, Kranke und Alte. Zylonia hatte zur Vorshinski-Farm ein besonderes Verhältnis, weil sie dort einen therapeutischen Arbeitsurlaub verbringen durfte. Aber da war noch, wie Idris zu seiner tiefen Enttäuschung erfahren sollte, ein anderer Grund.
Die Farm stellte eine beeindruckende Anlage dar. Sie lag in einer weiträumigen, natürlichen Höhle ungefähr fünfhundert Meter unterhalb von Vorshinski City und ließ sich nur durch Lifts erreichen. Das Innere ähnelte einer Höhle durchaus nicht. An der Decke sah man die täuschend echte Illusion eines klaren blauen Himmels – so blau, wie er einst auf der Erde gewesen war, bevor die Umweltverschmutzung ewiges Zwielicht und anhaltenden Regen verursachte – mit flockigen Wolken und einer hell scheinenden Sonne. Auf der Vorshinski-Farm herrschte Hochsommer. Die Kornfelder standen wie rauchgoldene Wogen. Vieh graste auf saftigen Weiden – friesische, englische und texanische Rinderarten. Schweine wälzten sich in braunem Mutterboden. Hühner scharrten nach Käfern und Würmern. Nicht einmal rastlose Schmetterlinge und nimmermüde Bienen fehlten. Idris war erstaunt. Hier, tief unter der Oberfläche eines toten Planeten, existierte ein fast perfektes Faksimile einer gesunden Umwelt, wie es sie während des Goldenen Zeitalters der Erde gegeben hatte. Die klimatische Kontrolle, so erfuhr er von dem Farmverwalter, orientierte sich am theoretischen Optimum, das in den landwirtschaftlich bestgeeigneten Klimazonen der Erde geherrscht hatte, bevor die Umweltverschmutzung ernsthafte Folgen eintrug. Die atomare Sonne lieferte der Farm variable, komputergesteuerte Strahlungsmengen, deren jeweiligen Grad man nach den Produktionsbedürfnissen einstellte. Komputergesteuert waren auch regelmäßige Regenfälle. Das Wasser wurde zwei schmalen Bächen entnommen, die in einen zentralen See mündeten, in dem es von Enten und Fischen wimmelte, als Regen versprüht und über Sammelbecken zurück in das Reservoir gepumpt. Die Ernten, so erklärte Sirius Bourne, der Farmverwalter, brauchten bis zur Reife nur die halbe Zeitspanne wie auf der Erde. Auf der Vorshinski-Farm hatte man den Zyklus von vier Jahreszeiten durch einen drei Jahreszeiten umfassenden Zyklus abgelöst. Es gab einen kurzen Frühling, einen langen Sommer und eine sehr kurze Winterperiode.
Sirius Bourne war ein netter junger Mann, nach irdischen Maßstäben etwa dreißig Jahre alt. Er und Zylonia waren offensichtlich sehr vertraut miteinander – eine Tatsache, die Idris sehr verdroß und verheerende Folgen hatte. Dennoch verlief die Besichtigung friedlich, bis sie sich voneinander verabschiedeten. Sirius hielt Zylonias Hand und küßte die junge Frau auf beide Wangen.
»Wann werden wir unsere Schuhe wieder unter ein Bett stellen, Zylonia?« erkundigte er sich. »Es ist jetzt lange her. Ich war sehr glücklich mit dir.«
»Bald«, antwortete Zylonia sachlich. »Du weißt, ich habe mit Idris viel Arbeit gehabt. Doch bald ist es soweit. Es wird mich sehr freuen.«
Ungläubig starrte Idris sie an. »Ihr liebt euch?«
Sirius lachte. »Verzeihen Sie, Idris, aber das ist eine verstaubte romantische Vorstellung der Erde. Sozusagen haben Sie jedoch recht. Als Sie noch in Ihrem Tank lagen, bestand zwischen Zylonia und mir eine befristete Verbindung. Sie tat ihr gut und auch mir. Sie ist eine köstliche Liebhaberin, glauben Sie mir. Ihr Körper ist so aktiv. Ich erinnere mich noch an ...«
Idris schlug ihn. Ohne zu denken, holte er aus und zerstörte mit einem Hieb allen guten Willen, den er sich anerzogen hatte. Es gab Zeugen – zwei
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