Der Eisvogel - Roman
festgefressen in gegenseitiger Hemmung, fordern die Unternehmer dies, blocken es die Gewerkschaften ab, sollen die Steuern herunter, laufen die Sozialverbände Sturm, die Arbeitslosenraten steigen, die Wirtschaft wandert ab, die Gesellschaft vergreist, die Jugend hat kaum noch Perspektiven ... Junge Menschen stehen in den Startblöcken, so gut ausgebildet wie nie, und können nicht starten, weil sie keine Arbeit finden ... Wie soll das enden? Nirgendwo Aufbruch, Hoffnung und damit: Zukunft ... Statt dessen Lethargie, Menschen, die Schatten ihrer selbst sind, an nichts mehr glauben, die keine Vision mehr haben, keine Ursprünglichkeit, zerfressen von Skepsis und Zynismus ... Sie sind krank von Demokratie! Die Menschen wollen nicht mehr tausend Angebote, sondern Einfachheit, was sie wollen, ist Führung, Ordnung, Sicherheit, sie sind krank von Unsicherheit, von dem Vielleicht und Ich weiß es nicht, von der unablässigen Angst um den Arbeitsplatz, was aus ihren Kindern werden soll und aus diesem Land, sie sind zerstört von Demokratie!
– wie sie lachten wie sie lachten wie sie lachten
– das ist ja nun eine gute Diagnose, Herr Kaltmeister, aber was ist die Therapie? Was Sie uns hier sagen, kann man in jedem besseren Leitartikel nachlesen, aber was ist zu tun, da müssen Sie nun schon mal die Karten aufdecken! Immerhin unterstützen wir Sie mit nicht gerade geringen Summen, – Terror, sagte Mauritz kühl und schnitt dem Industriellen das Wort ab. Die einzige Möglichkeit, die ich sehe, wirklich und nachhaltig etwas zu verändern, ist der organisierte Terror
– aber die Philosophie ist ja die Liebe zur Weisheit, und die Erkenntnis Gottes hat immer eine zentrale Rolle in ihrer Geschichte gespielt, half mir der Bischof aus meiner Verlegenheit, ich war auf eine solch direkte Frage nach meinem Glauben nicht gefaßt gewesen, sie hatte mich überrumpelt,und wahrscheinlich hatte ich Unwillen erkennen lassen, denn der Bischof war etwas zurückgewichen und hatte seine Brille, die gerutscht war, hochgeschoben; ich empfand die Frage als indiskret und völlig ungeeignet für einen Small talk, auf den es doch nur hinauslaufen konnte; der Bischof fragte nach meinen Studien und mit welchen Philosophen ich mich besonders beschäftigt habe, an welcher Hochschule ich tätig sei, – Ich bin an keiner Hochschule tätig, ich betreibe eine kleine Philosophie-Praxis, Alltagshilfe, – Dann sind Sie ja ein weltlicher Seelsorger! rief der Bischof mit erhobenen Brauen
– und deshalb, fuhr Mauritz fort, schlage ich die Gründung einer Untergruppe innerhalb unserer Organisation Wiedergeburt vor, die dafür zuständig sein soll, mit Namen Cassiopeia, nach dem W der Wiedergeburt, das Himmels-W, es wird ihr Zeichen sein
– ich habe gehört, sagte die Freifrau und zeigte mir ein gewinnendes Lächeln, daß Sie in Frankreich aufgewachsen sind? Sie erzählte mir von einer Fabrik für Spachtelmasse, die zur Usar-Holding gehöre. Manuela sei ihre Privatsekretärin, man habe einen Auftrag in Lyon erhalten, öffentlicher Bau, woran es liegen könne, fragte die Freifrau, daß die Franzosen mit uns in der Spachtelmassefrage nicht gut kooperieren? – An der Farbe, antwortete ich. – Bitte? Die Freifrau schien verwirrt. – Ja. Es könnte an der Farbe der von Ihnen verwendeten Spachtelmasse liegen. Welche Farbe hat die von Ihnen verwendete Spachtelmasse? Die Freifrau blickte sich hilfesuchend zu Manuela um, die ein Handy aufklappte. Während sie telefonierte, traktierte mich die Freifrau mit Anisgebäck. – Grau, sagte Manuela schließlich. – Sehen Sie, sagte ich, in Frankreich müssen alle Baumaterialien für öffentliche Gebäude zertifiziert und gefärbt sein. Ich weiß das von meinem Vater, er hat eine Bank in Nizza geleitet und oft von solchen Dingen erzählt. Grauhalten die Handwerker für schlechte Qualität, gute Qualität ist für sie rot oder gelb
– plötzlich, ich wußte gar nicht recht, was ich tat, brach ich eine der Blumen aus dem Füllhorn und drückte sie der völlig verdutzten Manuela in die Hand, sie wurde rot, es hatte ihr die Sprache verschlagen, mir auch, zugleich schämte ich mich, denn es war eine besonders schöne Blume, ich kannte sie nicht, vielleicht würde mir Manuela diesen Frevel gleich mit scharfen Worten verweisen, aber sie stand noch immer sprachlos und wie vom Donner gerührt, starrte auf die Blume in ihrer Hand. Danke, sagte sie. Du hast mir soeben ein sehr wertvolles Geschenk gemacht. Diese Blume ist der
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