Der Eisvogel - Roman
Stolz unseres Parkgärtners, sehr selten, sie lachte, oh Gott, wie erkläre ich ihm das. Der Bischof winkte uns, sie fing sich, bedachte mich mit einem zwischen Bedauern und Spott schwankenden Lächeln. Wir warteten auf den Gottesmann, gingen ihm entgegen, als wir bemerkten, daß es ihm schwerfiel, seinen Schritten die angemessene Geschwindigkeit zu geben: Laufen hätte seiner Würde geschadet, allzu gewichtig-bedächtiges Schreiten hätte unhöflich wirken können. Manuela nannte ihn Ehrwürden, der Bischof sprach sie mit ihrem Vornamen an und bemerkte, wie groß sie geworden sei. Er kenne sie von klein auf, erklärte er mir. Die Freifrau, bei der Manuela aufgewachsen sei, habe immer zu den aktivsten und gottwohlgefälligsten Mitgliedern der Gemeinde gehört, und gut könne er sich an Mauritz und seine Schwester erinnern, wie sie Kommunion empfangen hätten, sie im weißen Kleid, wie eine Braut, und Mauritz schon damals sehr aufrecht und streng. Wie groß sie geworden sei, wiederholte der Bischof, an seiner achteckigen Brille rückend, und wie schön. Er lachte und hob die Hand. Der katholischen Kirche habe es nie an Sinn für Schönheit gefehlt, auch nicht an dem für weibliche Schönheit, dieMadonnenbildnisse gäben ein beredtes Zeugnis, immer hätten für die Kirche tätige Künstler mit der Schönheit der Menschenkinder die Schönheit von Gottes Schöpfung preisen wollen. Wie rührend und wundersam in ihrer die Jahrhunderte überdauernden Menschenanmut seien die Bildnisse Riemenschneiders oder die Figuren des Naumburger Doms. Er persönlich hege ein beinahe zärtliches Gefühl für die Reglindis und die Uta. Man solle das Hohelied bedenken mit seinen Lobpreisungen, und kein fühlender Mensch wohl könne sich dem Zauber entziehen, den die Sixtinische Kapelle ausstrahle. Gottes Sohn in seiner Nacktheit, die auratische Unschuld zugleich sei; wie ihn, den Bischof, wenn er dort weile, die Herrlichkeit einer großen, alles durchleuchtenden Musik ergreife, das grundsätzliche Ja von Gottes Werk, von dem plötzlich aller Zweifelstaub abfalle wie nach einer Reinfegung; er selbst, der Bischof, fühle dann sein Herz von allem Zweifelstaub gereinigt, es sei, er wies auf die Bäume und den See, als ob sein Herz grüne wie die Natur nach der Dunkelheit des Winters. Manuela betrachtete die Blume. Der Kirchenmann hatte die Hände auf den Rücken gelegt und den Kopf gesenkt, schien mehr zu sich als zu uns zu sprechen. Wir hatten uns vom Haus schon ein gutes Stück entfernt, die Musik lag wie ein zerfaserter Schleier in der unbewegten Luft. Das gegenüberliegende Ufer des Sees, dessen ruhig gespannte Fläche zwischen den alten Parkbäumen hervorblinkte, tupften Katamarane und weiße Segel. Manuela ging etwas hinter uns, ich ließ mich zurückfallen, fragte flüsternd: Wärst du mit meinem Frack einverstanden, sollte dir kühl sein? Sie legte ihn amüsiert um, ihre herrliche karamelfarbene Haut war nur noch am Dekolleté zu sehen. Sie ging mit mir wieder nach vorn; der Bischof sagte: Gebt acht auf Mauritz, er ist ein sehr gefährdeter Mensch
– wie sie lachten an der Tafel im rittersaalähnlichen Raum,in dem die Freifrau hatte servieren lassen und nun präsidierte. Edgar, der Spirituosenfabrikant, und ein Herr mit schlagflüssig roten Wangen, Schnurrbart und Bismarckbürste brachten Toasts aus, letzterer auf Mauritz: Toll, Kamerad Kaltmeister, was Sie da in die Tat führen wollen, über die Details kann man noch sprechen, aber es geht ums Prinzip, und wo das stimmt, findet sich der Rest, dann hob er das Glas und prostete auch mir zu: Zum Wohl auch dem Kameraden Ritter, der mit Ihnen die schwierige Bastion Berlin schleifen will; worauf das Lachen wieder aufsprang, in das der Herr mit der Bismarckbürste schnurrbartstreichend einstimmte; aber Mauritz erhob sich und wischte das Lachen mit einer herrischen Handbewegung beiseite, ging an den mit großen gelben Polsternägeln beschlagenen Ratsherrenstühlen, den Ritterrüstungen, die im letzten Sonnenlicht matt schimmerten, sich theatralisch auf Schwerter und Hellebarden stützten, an den schüchtern wartenden Serviermädchen vorbei zum Flügel am anderen Ende der Halle, klappte den Deckel auf und intonierte die ersten Takte der Nationalhymne, sagte: Liebe Gäste, laßt uns das Lied des Vaterlands singen, alle standen auf, auch Manuela, die neben mir saß und Mauritz mit halb besorgtem, halb unwilligem Blick gefolgt war; mit erhobenen Gläsern schmetterten wir alle die dritte Strophe
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