Der Elbenschlaechter
»Ich, äh … doch, klar. Ist nur momentan kaputt, weißt du?«
Jorge war nicht der Typ, dem Ränge und Abzeichen viel bedeuteten; mehr als einmal hatte ihm dies eine Beschwerde beim Maul eingetragen, und nur Hippolits engelszüngiges Einwirken hatte sie in den Papierkorb (oder was das Maul sonst benutzte) befördern können. Er hatte keine Scheu, dem blaublütigen Mann kumpelhaft auf die Schulter zu schlagen. Prinz Saint, jetzt seh ich den sogar mal aus der Nähe, dachte er. Was der hier wohl will? Jorge schielte erneut über seine Schulter und zuckte die Achseln. Na was wohl, auch Prinzen mussten eben manchmal. Jorge fragte sich, ob sich die unsichtbare Stimme auch für die Ablieferung seines königlichen Dungs bedanken würde. Als er eine Sekunde darüber nachdachte, kam er zum Schluss, dass es ihm scheißegal war.
Aber hatte Salm nicht gerade behauptet, er hätte Jorge gesucht?
»Wirklich gut, dass ich Sie hier treffe, Agent Jorge«, wiederholte Prinz Salm in diesem Moment, als habe er seine Gedanken gelesen. »Es g-gibt da nämlich etwas, dass ich … also, ich denke, wir müssen reden. Unter vier Augen sozusagen.« Mit verschwörerischem Blick schob er Jorge rückwärts in die Kammer mit dem Thron und schloss geflissentlich die Tür hinter ihnen.
»Denke ich auch«, bestätigte Jorge, der sich seine Verwirrung nicht anmerken lassen wollte. »Reden ist immer gut. Es gibt da ein altes Trollsprichwort, und das geht so: Reden ist gut, aber nur, wenn man einen Zuhörer hat, sonst ist man nämlich wahnsinnig. Verstehst du?«
Prinz Salm nickte abwesend. »Agent Jorge, es ist so … meine Mutter … ist möglicherweise nicht über alle Einzelheiten …« Er sah sich nervös in dem blitzsauberen Raum um, dann beugte er sich vertraulich nach vorn. »D-Darf ich offen zu Ihnen sprechen, Agent Jorge?«
Jorge kratzte sich das Kinn und den breiten Hals. »Du scheinst sehr begierig darauf zu sein«, sagte er und nahm ebenfalls eine konspirative Haltung ein, indem er ein breites Grinsen auf seine Züge zauberte und dem Prinzen einen seiner oberschenkeldicken Arme auf die Schulter legte.
»Es ist so, Agent Jorge … also, meine Mutter, Ihre königliche Hoheit, ist nicht mehr die Jüngste … und hat dementsprechend nicht die Übersicht, Sie verstehen? Sie kommt nur noch selten aus dem Palast heraus – nie, um g-genau zu sein, sozusagen. Sie erhält ihre Informationen ausschließlich über Wortwürfe, Boten und die Zeitung. Alles über D-Dritte, sozusagen. Das verzerrt das Bild.«
»Bis hierher kann ich dir folgen.«
»Ich bin stets bemüht, sie vor unnötigen Sorgen zu b-beschützen, die ihr schwaches Herz unnötig belasten würden. Deswegen habe ich niemandem etwas von den – nun ja, von d-den Gerüchten erzählt, die momentan die Runde machen.«
»Gerüchte machen die Runde«, flüsterte Jorge nickend. »Wo machen sie denn die Runde?«
Prinz Salm winkte ab. »D-Das ist irrelevant. Es geht um meinen Cousin, den Grafen Sloterdinkh. Sie kennen Graf Sloterdinkh?«
Jorge nickte heftiger und sagte: »Nie gehört.«
»Graf Sloterdinkh zählt – auch wenn es uns nicht schmeckt -im weitesten Sinne z-zur Königsfamilie. Er gilt als … wie soll ich sagen? Als schwarzes Schaf unserer Dynastie, wenn Sie verstehen, was ich meine? Sozusagen. Wurde mehr als einmal auf d-der Straße aufgegriffen, volltrunken und nicht mehr Herr seiner Sinne. Dabei soll er sich gänzlich unhöfischer Rede befleißigt haben, sogar zu Fällen von Körperverletzung soll es gekommen sein! Wissen Sie, er ist dem Trünke nicht abgeneigt, und auch anderen Vergnügungen nicht, sozusagen.«
»Ich glaube, ich verstehe sehr gut. Ich bin dem nämlich auch nicht abgeneigt, ganz und gar nicht. Ich könnte dir Geschichten erzählen …« Jorge rollte mit den Augen, zog die buschigen Brauen hoch und kicherte. Es hörte sich an, als poltere eine Ladung Geröll einen Abhang hinunter.
»Der Königshof macht in solchen Fällen üblicherweise g-gute Miene zum bösen Spiel«, fuhr Prinz Salm flüsternd fort. »Wir d-decken seine Eskapaden und seine Verschwendungssucht, wo es nur geht.«
»Klingt fast wie bei M.H. und mir!«, rief Jorge amüsiert aus.
»Ja, genau wie …«, begann der Prinz, hielt inne und runzelte die Stirn. »Wie auch immer. In letzter Zeit halten sich hartnäckige Gerüchte. G-Gerüchte, dass der Graf …« Erneut stockte er, blickte sich abermals um und -rückte noch ein Stückchen näher an Jorge heran. »Die Gerüchte besagen, Agent Jorge,
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