Der Elbenschlaechter
Aus einer versteckten Schallkugel erklang das frohe Gezwitscher exotischer Vögel, möglicherweise Hornosweber oder Nachtglymen.
In der Mitte des blitzsauberen Raumes befand sich eine Art Thron mit hoher Rückenlehne, die mit feinstem Samt gepolstert war. Jorge schloss die Wurzelholztür hinter sich, drehte einen goldenen Schlüssel im Schloss und trat näher an den Thron heran. Das Zwitschern der Vögel wurde lauter, es klang beinahe feierlich.
In der Mitte des Throns gab es eine schmale Öffnung. Die Sitzfläche drumherum war bequem gepolstert, so dass man angenehm sitzen konnte. Jorge öffnete seinen Gürtel, entledigte sich seines schwarzen Lederbeinkleids und nahm Platz. Trotz der weichen Polsterung empfand er seine Sitzposition als etwas unbequem, aber das lag daran, dass die königliche Apparatur offensichtlich nicht für massige Trollhintern konzipiert war.
Nachdem er abgeladen hatte (eigentlich musste er doch nicht so dringend, wie er während der Verrichtung merkte), stand er sekundenlang ratlos vor dem Gestühl und wusste nicht, was er als Nächstes tun sollte.
Plötzlich begannen regenbogenfarbene Wasserstrahlen aus dem Loch zu schießen, klar und leise plätschernd wie sanfter Morgenregen. Die Fontänen wechselten ihre Farbe im Takt des Plätscherns. Ein betörender Duft nach Nermoveilchen stieg Jorge in die Nase. Unvermittelt erklang eine Stimme aus dem Nichts, eine angenehm jugendliche Frauenstimme, und für einen kurzen Augenblick überlegte Jorge, ob sich vielleicht ein Wortwurf in das seltsame Gemach verirrt hatte.
»Vielen Dank, dass Sie mir Ihren Trolldung zur Beseitigung überlassen haben! Ich wünsche Ihnen einen kraftvollen Tag«, sang die Stimme.
Jorge wankte rückwärts, suchte mit den Augen hektisch die Ecken der Kristallkammer ab.
»Woher …« Jorge schluckte. »Woher weißt du, dass ich ein Troll bin?«
Er nahm den Thron ins Visier. »Du da!«, schrie er. »Gib dich zu erkennen! Woher weißt du, wer ich bin?«
Der Thron gab keine Antwort. Nur das Vogelgezwitscher war noch zu vernehmen, dezent und einschmeichelnd.
»Ich habe mit dir gesprochen!« Jorge lehnte sich nach vorne und äugte in das Loch, wo das duftende Regenbogenwasser mittlerweile versiegt war.
Nichts.
Plötzlich kam er sich unsäglich dämlich vor. Was, bei Batardos, tat er hier eigentlich? Sollte dieses Scheißloch doch wissen, wer es gefüllt hatte! Wahrscheinlich hatte es Erfahrung mit den außergewöhnlichsten Exkrementen, schließlich verkehrten am Hof tagein, tagaus unzählige Bedienstete verschiedenster Rassen, und die mussten früher oder später alle der Natur gehorchen.
Jorge machte eine obszöne Geste in Richtung des Throns. »Warn mich nächstes Mal vor, wenn du zu quatschen anfängst, ja?«
Er war nicht der Typ, der sich längere Zeit über etwas wunderte, daher wandte er sich ab, drehte den goldenen Schlüssel, zog die Wurzelholztür auf …
… und stieß im angrenzenden Flur prompt mit jemandem zusammen! Der Kerl, ein athletisch gebauter Mann mit pomadisiertem Haar und einem dünnen, wie aufgemalt wirkenden Oberlippenbart, taumelte überrascht rückwärts.
»Verzeihung!« Jorge trat geschwind vor, um dem anderen im Notfall aufhelfen zu können. Erst jetzt erkannte er ihn. »Ach, du bist es. Prinz Salm!«
Der Prinz, nur eineinhalb Köpfe kleiner als Jorge und für einen Menschen auffallend kräftig gebaut, vermied im letzten Moment einen schmerzhaften Sturz. Er richtete sich auf, fuhr prüfend mit der Hand über das eingeölte, schwarze Haar, dann lächelte er. »Agent Jorge! Gut, dass ich Sie hier antreffe.« Er schüttelte den Kopf, so dass die schwere Kette, die er um den Hals trug und in deren Mitte ein roter Diamant saß – das Zeichen seiner königlichen Abstammung –, hin und her schwang. »Ich habe Sie g-gesucht, sozusagen. Sie waren plötzlich weg.«
»Tut mir leid, aber ich musste mal ganz dringend was unheimlich Persönliches erledigen, verstehst du? Wir Trolle haben da ein Sprichwort, und es geht so: Wenn man muss, dann muss man.« Er deutete über die Schulter in die Kammer aus blauem Kristall. »Interessante Technik, die ihr hier habt. Ich bin wirklich beeindruckt. Da ist Thaumaturgie im Spiel, nicht wahr?«
»Wie meinen? Ach so, ja, unsere B-Bedürfnisstätte. Feine
Errungenschaft, fraglos. Haben Sie so etwas denn nicht auch daheim, Agent Jorge?«
Jorge, dem bereits ein dummer Spruch über das sporadische Stottern seines Gegenübers auf der Zunge lag, schüttelte den Kopf.
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