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Der Elbenschlaechter

Der Elbenschlaechter

Titel: Der Elbenschlaechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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gewirkt, das konnten doch bereits die minderstufigen Spurensichtungsbeamten fest …«
    »Quintessenziell, lieber Kollege!« Ruckartig drehte sich Hippolit um und fixierte den korpulenten Heiler mit einem Blick, von dem er hoffte, dass er zugleich bedrohlich und kompetent wirkte – kein leichtes Unterfangen mit einem Knabengesicht ohne Farbpigmente. »Aber mit welcher Absicht wurden diese Praktiken angewendet? Welche Rituale wurden praktiziert? Wie sahen die verwendeten Hilfsmittel aus? Welche Rückschlüsse auf den Täter lässt dies zu?«
    Meister Lurentz, die Augen starr wie ein Kind, das man beim verbotenen Griff in die Keksdose ertappt hat, stieß einige unverständliche Silben hervor. Hippolit nickte ihm aggressiv zu – Wir haben uns verstanden. Und nun halt gefälligst die Klappe! – und wandte sich wieder dem Toten auf dem Tisch zu.
    Die bisherigen Ergebnisse seiner Untersuchung waren eher bescheiden. Zum Fehlen des Blutes, bereits durch Gerichtsdiener und Meister Lurentz hinlänglich dokumentiert, ließ sich nicht mehr sagen, als dass es eben fehlte. Seine Entnahme, auch das lag auf der Hand, war durch zwei Herzkatheder vonstattengegangen, Schläuche, die von außen, zwischen den Rippenbögen hindurch, in die Herzkammern gestoßen worden waren. Dies war keine unübliche Praxis, besonders unter Vampyren, die bereits vor Jahrhunderten gelernt hatten, dass man die Venen seiner Opfer auch auf andere Weise leeren konnte als mit den Zähnen.
    Wie der Täter mit dieser Methode neben dem Herzblut auch sämtliches Blut aus dem Aderngeflecht des Körpers hatte extrahieren können, dafür gab es mehrere Möglichkeiten: Ein starker Unterdruck mochte dies bewirkt haben, mittels einer mechanischen Pumpe erzeugt, oder aber ..
    Hippolit griff neben sich auf den Boden und hob einen weiß lackierten, metallenen Kasten mit stabilem Tragegriff auf den Tisch – sein thaumaturgisches Miniaturlaboratorium, das er bei den Ermittlungsarbeiten für das IAIT stets mit sich führte. Er öffnete den Deckel, der sich durch ein ausgeklügeltes Klappsystem zu einer mehrlagigen Etagere auseinanderfaltete, und entnahm ihm mehrere kleine Gegenstände, darunter einen handlichen Dreifuß mit zwei Ebenen sowie ein Beutelchen, aus dem er etwas schwärzlich vertrocknetes Laub auf seinen Handteller schüttete.
    Während er die Kareninaken-Blätter mit den Fingern zerrieb, bat er Zzwirr, ihm an einer der grell brennenden Gaslampen an den Wänden einen Kienspan zu entzünden. Dabei dankte er im Stillen dem Droschkenkutscher, der auf der Herfahrt an einem thaumaturgischen Spezialbedarfsladen am Ufer des Cinotaksim haltgemacht und dort für ihn jene Dinge erstanden hatte, die ihm der Sohn seines ehemaligen Stammausstatters am Vormittag nicht hatte verkaufen wollen. Er hatte dem Fahrer seinen IAIT-Ring mitgegeben, worauf dieser ohne weitere Rückfragen seitens des Verkäufers alles bis auf die Vooril-Tinktur bekam; Letztere war ausverkauft, aber Hippolit würde sie heute Abend nicht benötigen.
    Zzwirr kam mit dem brennenden Span. Hippolit entzündete ein Stück Kohle in der unteren Etage des Dreifußes und gab die zerkrümelten Blätter mit einigen Tropfen aus einer winzigen Phiole auf ein zweites Tellerchen, wenige Fingerbreit darüber.
    Sofort stieg blauer, stechender Qualm auf, und Hippolit beeilte sich, mit den Händen die notwendigen Zeichen in die Schwaden zu malen. Knurrende, nur bedingt nach menschlicher Sprache klingende Silben drangen über seine Lippen.
    Meister Lurentz beobachtete das Geschehen von der Tür aus mit pikiertem Blick, während der Echsenmensch sich mit einem wissenden Lächeln auf dem lippenlosen, grün geschuppten Gesicht ans untere Ende des Tisches zurückzog.
    Bereits wenige Augenblicke später zeitigte das thaumaturgische Ritual ein sichtbares Ergebnis: Zwischen den Rippenbögen, die Meister Lurentz bei seiner Autopsie am Morgen teilweise freigelegt hatte, glühte es mehrmals blau auf, ein rhythmisches Pulsieren, exakt dort, wo das zweifach punktierte Herz des Elbs lag, eingebettet in kaltes, starres Muskelfleisch.
    Zufrieden stellte Hippolit den dampfenden Dreifuß auf einem nahen Rolltisch ab und wedelte die Schwaden fort, die noch über dem Leichnam in der Luft hingen.
    »Wie ich es mir gedacht habe«, sagte er. »Die Entnahme des Blutes geschah auf physischem Wege, mithilfe zweier Katheder. Bei der Leerung des Gefäßsystems fand allerdings eine thaumaturgische Praktik Anwendung, mittels derer das Herz eine ganze

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