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Der Elbenschlaechter

Der Elbenschlaechter

Titel: Der Elbenschlaechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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er las sie. Nicht zuletzt Hippolit hatte dafür gesorgt, dass er sich ab und zu mit etwas Lektüre die Zeit vertrieb.
    Er hatte sogar ein Lieblingsbuch, verfasst von einem nesnilinischen Schriftsteller namens Gundolf. Es hieß Orgie in Weiß. Gundolf beschrieb darin ein ^ausschweifendes Fest, eine Art Totenfeier, die in ein Gelage ausartete. Pure, schöne Pornografie.
    Als sie den Saal betraten, in dem sich die Gesellschaft versammelt hatte, musste Jorge an dieses Werk zurückdenken. Auch in Gundolfs Erzählung trugen die Gäste farbenfrohe Masken. Dekadenz in reinster Ausprägung.
    Der Saal ähnelte in gewisser Weise der Eingangshalle. Auch hier hing ein enormer Lüster von der Decke, bestückt mit unzähligen funkelnden Edelsteinen. Die Wände waren mit rotem Samt ausgeschlagen, der Fußboden bestand aus dunklem Holz, weich und edel und unbezahlbar.
    Unzählige Kostümierte, wie ein Bienenschwarm. Stimmengewirr schlug Jorge entgegen, dazu die Hitze eingepferchter Luft, der verdunstende Schweiß von über hundert Menschen.
    Am Ende des Saals stand ein fünfköpfiges Orchester auf einer Bühne. Die Musiker spielten ein recht eigenartiges modernes Stück, fabrizierten auf Neuro-Geigen und Bock-Celli unangenehm schräge, tiefe Töne, die einem die Därme zum Vibrieren brachten.
    Alle waren maskiert. Jorge sah Vogel-, Affen- oder Equuphantenmasken, andere stellten Tiere da, die er noch nie gesehen hatte, wieder andere Gäste verbargen ihre Identität hinter Dämonenfratzen. Ein jeder war schwarz gewandet. Gut so, fand Jorge. So fiel er in seiner schwarzen Lederkluft und mit Hippolits schickem Überwurf nicht weiter auf, stach höchstens in Bezug auf Körpergröße aus der Masse hervor.
    Die meisten der Anwesenden hielten Kelche in der Hand, wahrscheinlich mit alkoholischen Getränken gefüllt. An den Seiten standen Tische, auf denen in Schüsseln und auf Silberplatten unzählige kulinarische Köstlichkeiten angeboten wurden. Essensdüfte vermischten sich mit dem Geruch von Schweiß.
    Einige Mitglieder der Gesellschaft tanzten in langsamen, elegischen Bewegungen vor der Bühne, andere standen beisammen und unterhielten sich.
    »Bei Batardos«, murmelte Jorge unter seiner Maske. Ihm war schon jetzt viel zu heiß, Schweiß rann über sein Gesicht, sammelte sich unter der Pfauenfedermaske. »M.H. … ich meinte, Meister Ratist? Was, bei Batardos, ist das hier?«
    Das Gesicht des jugendlichen Fuchses blickte zu ihm auf. »Um das herauszufinden, sind wir hier. Am besten, wir trennen uns. Misch dich unters Volk, aber halt die Augen offen. Und sei um Lorgons willen vorsichtig! Vergiss nicht, du bist ein wohlhabender, distinguierter Viehzüchter.«
    Jorge nickte. »Schon klar«, sagte er und schob sich in Richtung der aufgebotenen Köstlichkeiten. Erst jetzt sah er, dass es hinter den Tischen einen breiten abgetrennten Bereich gab, der allein dem Personal vorbehalten war. Auch die Angestellten, die die Gäste bedienten, trugen Masken, waren aber im Gegensatz zur Gesellschaft ganz in Weiß gekleidet, zusätzlich angetan mit parfümierten Perücken.
    Weiter hinten erblickte Jorge das größte Krügerschwein, das er je gesehen hatte. Es drehte sich über einem offenen Feuer, knusprig und köstlich. Zischend troff Fett auf die glühenden Scheite herab.
    Ein Diener mit der Maske eines lyktischen Bürdenmuffels reichte ihm einen Humpen Bier und einen Teller mit einer dicken Scheibe Fleisch. Jorge hatte keine Ahnung, worum es sich handelte; Krügerschwein war es jedenfalls nicht, aber es schmeckte hervorragend: außen kross, innen butterzart, auch wenn er etwas Mühe hatte, alles durch die kleine Öffnung seiner Maske zu bugsieren. Er nahm in einem der bequemen ledernen Ohrensessel Platz. Thaumaturgisch levitiert schwebten Dutzende von ihnen eine Handbreit über dem Boden, bewegten sich dabei so langsam von der Stelle, dass man es kaum merkte.
    Fasziniert beobachtete Jorge das Geschehen. Er wurde nicht allzu oft zu derartigen Veranstaltungen geladen – wobei »nicht allzu oft« in diesem Fall »nie« bedeutete. Das war jedoch nicht weiter schlimm. Er zog es vor, seine Abende in verräucherten Schenken im Fassviertel zuzubringen.
    Eine ganze Weile passierte nichts Spektakuläres. Er vernahm das laute Gelächter einer Frau. Ein Glas fiel zu Boden und zerklirrte. Eine Gruppe von Männern mit riesigen Masken, die Gestirne darstellten, unterhielt sich lautstark über Geschäftliches. Jorge suchte nach Hippolits schmächtiger Gestalt,

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