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Der Elbenschlaechter

Der Elbenschlaechter

Titel: Der Elbenschlaechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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livrierte Bedienstete Fleisch schnitten und Teller füllten. Wenige Augenblicke später verschwanden die beiden Männer durch einen Rundbogen in der hinteren Wand.
    Hippolit bemühte sich, sein Tempo zu erhöhen, wich grapschenden Händen aus, wand und drehte sich, glitt nahezu ohne Körperkontakt mitten durch die unzurechnungsfähige Gesellschaft. Zum ersten Mal seit der Korporalen Subtraktion war er dankbar für die jugendliche Biegsamkeit seines neuen Körpers.
    Sekunden später erreichte er die Buffettische.
    Er ignorierte einen volltrunkenen Mann von riesenhaftem Wuchs (möglicherweise ein maskierter Troll), der einen mit Unmassen gebratenen Geflügels beladenen Teller direkt über seinen Kopf hinwegmanövrierte, ebenso wie den beachtlichen Schwall Bratfett, der dabei auf sein Gewand schwappte. Als ihm ein Lakai mit einer schwarzen Gangganesenmaske vor dem Gesicht eine ähnlich verschwenderisch gefüllte Platte hinhielt, winkte er angewidert ab und marschierte stattdessen auf das Ende der Tischreihe zu.
    Dort offenbarte sich jedoch ein ungeahntes Problem: Um den Torbogen zu erreichen, durch den Nitz und sein Begleiter verschwunden waren, musste er den für die Gesellschaft vorgesehenen Bereich verlassen. Kaum hatte er den Tisch umrundet, wandte sich der Diener, der ihm eben noch Speisen angeboten hatte, in seine Richtung und gab ihm durch hektisches Winken zu verstehen, dass er schleunigst in den Gästebereich zurückkehren solle.
    Als Hippolit keine Anstalten machte, der Anweisung Folge zu leisten, drehte sich der Mann um in der Absicht, seine Kollegen auf den abtrünnigen Gast aufmerksam zu machen. Dabei vollführte er mit dem Arm eine schwungvolle Geste, als wolle er einen Fliegenschwarm aus der Luft verscheuchen.
    Zu seinem Pech befand sich nach wie vor der voll beladene Teller in seiner Hand, und prompt segelten Fleisch und Kraut und Soße mit einem platschenden Geräusch zu Boden. Instinktiv bückte sich der Diener, um die Bescherung aufzuputzen.
    Hippolit erkannte seine Chance und handelte, ohne zu zögern: Mit geschlossenen Augen ratterte er mehrere Dutzend thaumaturgische Silben herunter, während er sich gleichzeitig wieder in Bewegung setzte.
    Sekunden später kam der schwarz maskierte Lakai wieder hinter dem Tisch zum Vorschein. Suchend starrte er um sich, versuchte den Störenfried von eben ausfindig zu machen. Zweimal schweiften seine Augen dabei in Hippolits Richtung, der, noch immer leise vor sich hinmurmelnd, auf den Torbogen zuhielt. Doch jedes Mal änderte der Diener just im entscheidenden Sekundenbruchteil seine Blickrichtung, sah anderswohin, ohne den Eindringling wahrzunehmen.
    Ein letztes Mal blinzelte er verwirrt in die Runde, diesmal in Richtung der dicht gedrängten Menge, zu welcher er den Albinojungen zurückgekehrt wähnte. Dann zuckte er die Achseln und wandte sich wieder seiner eigentlichen Aufgabe zu, köstliches Fleisch zu zerteilen.
    Hippolit erreichte den Durchgang und verschwand darin.
    Jenseits der Öffnung ließ er sich mit dem Rücken gegen die Wand sinken und atmete pfeifend aus. Schweißperlen ließen die Maske unangenehm an seiner Stirn kleben.
    Der Schirm war alles, nur kein simpler Trick. Selbst für einen Thaumaturgen der neunten Stufe war es eine echte Herausforderung, ihn quasi im Vorübergehen, ohne die vorgeschriebenen Gesten, Augenbewegungen und Brandopfer zu wirken. Hippolit ahnte, dass er es allein seiner jahrzehntelangen Erfahrung und der durch seine noch immer schmerzende Brustwarze genährten brodelnden Wut verdankte, dass er überhaupt ein brauchbares Resultat zuwege gebracht hatte.
    Entgegen einer unter Nicht-Versierten recht verbreiteten Ansicht war es gänzlich unmöglich, Personen oder Gegenstände »unsichtbar« zu machen. Einem Thaumaturgen namens Warstow war jedoch gegen Ende des Ersten Zyklus, nach jahrzehntelangen Experimenten, die Entwicklung einer thaumaturgischen Technik gelungen, mit deren Hilfe sich die Blickrichtung vernunftbegabter Lebewesen subtil beeinflussen ließ; für die Dauer des Spruches schauten sie, scheinbar aus eigenem Antrieb, überallhin, nur nicht mehr auf jenes Objekt, über welches der Schirm gewirkt worden war – mit der Folge, dass sie es faktisch nicht mehr sahen.
    Die Praktik galt als kompliziert und aufwendig, und Hippolit war froh, dass er sich nur für wenige Augenblicke damit hatte tarnen müssen. Um eine lebende, in Bewegung befindliche Person über einen längeren Zeitraum »verschwinden« zu lassen, waren

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