Der Elbenschlaechter
unwilliges Ächzen ertönte.
Während er sich beeilte, Hippolit aus den wallenden Bahnen ballonartigen Stoffs zu befreien, setzte sich der Vulwoog hinter ihnen dröhnend und stampfend in Bewegung und rollte über die breite Straße davon.
»Ich habe dem Fahrer gesagt, er soll ein paar Steinwürfe weiter auf uns warten, bis wir zurück sind«, erklärte Hippolit und fuhr sich ordnend mit den Händen durch das weiße Haar. Dabei fiel sein forschender Blick auf das Bauwerk auf der Hügelkuppe. Seine Augen weiteten sich.
»Steht ganz gut im Saft, unser Baron, was?« Unter Aufbietung seiner ganzen Geschicklichkeit schloss Jorge die Spange des Umhangs an seinem Hals und straffte die Schultern. »Wie seh ich aus?«
»Wie ein Troll, der sich als wohlhabender Geschäftsmann verkleidet hat«, erwiderte Hippolit, ohne aufzublicken. »Weißt du noch, wie du heißt?«
»Rindermeister Olaf, zu Ihren Diensten!«, rief Jorge und salutierte zackig.
Hippolit seufzte, zog den Kragen seines Gewandes zurecht und deutete auf ein gewaltiges Tor ganz in ihrer Nähe. Es war so breit, dass zwei Pferdekarren nebeneinander hindurchpassten. Gitterstäbe, dick wie Jorges Handgelenke, glänzten golden im Mondlicht.
»Und du glaubst wirklich, wir kommen da rein?« Jorges Stimme klang skeptisch. »Wir Trolle haben da ein Sprichwort, das besagt …«
Doch Hippolit hatte sich bereits in Bewegung gesetzt. Im Gehen deutete er auf eine Vorrichtung aus messingfarbenem Metall, die am rechten Pfeiler des Tors angebracht war. »Ein Wortwurf-Generator. Er ist mit thaumaturgischer Energie aufgeladen und ermöglicht auch Nicht- Versierten, die Parole zum Öffnen der Pforte nach drinnen, zum Pförtner zu senden.«
»Kennen wir sie denn, diese Parole?«
»Natürlich kennen wir sie«, erwiderte Hippolit und zückte den Brief des Prinzen.
15
Er streckt die Hand aus und betrachtet seine feingliedrigen Finger. Sie zittern ganz leicht. Es ist nicht gut, dass seine feingliedrigen Finger zittern. Sie haben ihre einstudierten Griffe sicher und präzise auszuführen.
Sie dürfen nicht zittern, denkt er.
Sie dürfen nicht zittern!
Erschließt die Augen, konzentriert sich auf seinen Atem. Ruhig und gleichmäßig. Ja, sogar sein Atem ist kalkuliert.
Er weiß, dass er an einem Punkt angelangt ist, an dem es kein Zurück mehr gibt. Jeder einzelne Atemzug ist eingeplant, ebenso wie das Blut. Die Schreie. Das Winseln. Das Blut. Das Blut.
Das viele Blut.
Aber bald ist es vollbracht. Erneuerungen erfordern Opfer, und er weiß, bei Lorgon, er weiß, dass der Tag kommen wird, da Schüler der Alchemie gebannt ihren Lehrern lauschen, wenn diese von seinen Errungenschaften berichten, mit einer Mischung aus Ehrfurcht, Ekstase und Entzücken.
Eröffnet die Augen, geht zur Schranknische. Holt die schwarze Ledertasche hervor, kostbar, aus seltenem Material. Sie sondert einen Geruch nach exotischen Wildtieren ab. Getöteten. Er mag diesen Geruch. Seit jeher lieht er die Gerüche der Natur.
Er öffnet die Tasche, füllt sie mit den Instrumenten, die er benötigt. Feinstes Eleutery, ein funkelndes Skalpell, so scharf, dass man sich schon beim bloßen Ansehen schneidet. Vorsichtig wickelt er alles in roten Samt ein. Die Glasröhrchen. Die Scheren. Die Schläuche.
Mehr benötigt er nicht. Der Rest: thaumaturgisches Wirken in höchster Vollkommenheit.
Die Zeitungen nennen ihn eine Bestie. Er schmunzelt. Die Unwissenden haben Angst vor dem, was sie nicht begreifen.
Er klappt die Tasche zu. Schlüpft in seinen Umhang, zieht die Kapuze über den Kopf.
Erfahrung braucht Schmerz, auf dem sie gedeihen kann. Das ist die Regel des Lebens.
Auch seine Erfahrung, die Summe all dessen, was er mittlerweile vermag, ist das Resultat eines tiefen Schmerzes. Doch er wird diesen Schmerz überwinden.
Bald.
Mit der Tasche in der Hand macht er sich auf in Richtung Nacht. Wie üblich benutzt er beim Verlassen des Anwesens eine unbeaufsichtigte Hintertür. Eilig durchschreitet er den weitläufigen Garten, der angefüllt ist mit tiefen Schatten. Er ist ein Gespenst.
Er ist der schlimmste Albtraum dieser Stadt, wenn er durch ihre Straßen schwebt. Aber jeder Albtraum hat eine Ursache. Sie ist notwendig, damit sich etwas weiterentwickeln kann.
Sie ist die Katharsis. Denkt er.
Lautlos durchquert er das Tor, einen unbedeutenden Seiteneingang. Hinaus auf die leere Straße. Die Nacht ist neblig-feucht. Die Gaslaternen brennen, doch ihr Licht wirkt gedämpft, wie erstickt. Gut.
Die
Weitere Kostenlose Bücher