Der Elbenschlaechter
das Bonzenviertel ganz im Osten der Stadt?« Er fuhr prüfend mit den Fingern über den Umhang, den Hippolit ihm mitgebracht hatte. Er bestand aus feinstem schwarzem Samt. »Man sagt, die noblen Säcke von Mond-Aue hausen in Villen, größer als Faustballfelder«, ließ er den Stoff wissen. »Von parkähnlichen Anlagen ist die Rede, riesigen Gärten voller exotischer, köstlicher Tiere und von Heeren willenloser Lakaien, die ihren Herren jeden Wunsch von den Augen ablesen. Bei Batardos – wer in Mond-Aue wohnt, der hat es zu was gebracht im Leben!« Er sah auf und fügte kleinlaut hinzu: »Ich war noch nie dort. Du, M.H.?«
»Nein, Freund O’Leph. Ich war ebenfalls noch nicht dort. Und mein Name lautet Meister Ratist, verstanden?«
»Verstanden, M.H.!« Mit vorfreudiger Miene betrachtete Jorge erneut seinen Überwurf. »Und was genau wollen wir bei diesem Nitz und seinen Kumpels? Ich nehme kaum an, dass Salm uns für unsere bisherigen Verdienste im Elbenschlächter-Fall einen erholsamen Kurzurlaub organisieren wollte, mit Drogen und Vögelei und so weiter?« Seine Aussprache wurde hörbar feuchter, als er sich an die Dinge erinnerte, die Prinz Salm ihnen über die Wirkungsweise der Droge Sternhöh verraten hatte.
»Mitnichten«, erwiderte Hippolit kühl. »Natürlich geht es darum, die Gerüchte zu überprüfen, nach denen Sternhöh aus Elbenblut hergestellt wird, und darüber hinaus: wer es herstellt und ob dieser Jemand möglicherweise der gesuchte Mörder ist.«
»Du meinst … der Jemand könnte unser Schlächter sein?«
Hippolit sah ihn direkt an. »In einem Punkt dürften wir uns einig sein, Agent O’Leph: Wenn es in Nophelet jemanden gibt, der aus Elbenblut eine Droge destilliert, deren Konsumenten bereit sind, Unsummen dafür auszugeben, wäre es kaum überraschend, wenn dieser Jemand beständig Nachschub brauchte. Oder?«
Jorge bedachte diese These einige Augenblicke, dann nickte er bedächtig. »Und was machen wir in diesem Zusammenhang aus dem geraubten Sperma? Sagtest du nicht, man hätte den Opfern ihren gesamten Saft aus den Glocken gesaugt?«
»Ich hoffe, dass wir auch diesbezüglich am Ende dieser Nacht etwas klüger sind«, erwiderte Hippolit, das weiße Gesicht angesichts der Wortwahl seines Assistenten unwillig verzogen. »Und jetzt tu mir einen Gefallen und halt die Klappe!«
Wenig später waren sie am Ziel. Hippolit stieg aus und entlohnte den Fahrer, während Jorge sich unter allerlei Verrenkungen aus der viel zu engen Kabinentür wand. Als er auf dem Gehsteig neben Hippolit seine schmerzenden Glieder reckte, bot sich ihm im Licht des beinahe vollen Mondes ein beeindruckendes Bild. Der Vulwoog stand am Rand einer breiten, von uralten Platanen flankierten Allee, direkt vor einer massiven Ziegelmauer, die selbst Jorge um mehrere Ellen überragte. Zum Schutz vor unerwünschten Besuchern waren entlang der Oberkante dolchartige Metallspitzen und spiralförmig gewundener Rapierdraht angebracht.
Jenseits dieser Grundstücksbegrenzung, das ließ sich trotz ihrer Höhe von der Straße aus erkennen, lag eine riesige, sanft ansteigende Grünfläche. Ordentlich gestutzte Buschskulpturen und eine lange Reihe in die Erde gerammter Fackeln säumten einen schmalen, mit schwarz glänzendem Kies bestreuten Pfad, der sich in weiten Windungen hügelaufwärts schlängelte, auf eines der beeindruckendsten Gebäude zu, das Jorge in Nophelet je gesehen hatte.
Das Anwesen von Baron Nitz war eine Mischung aus Landhaus und Festung. Es gab ein mehrstöckiges Hauptgebäude, über dessen Vorderfront sich ein breiter, von prachtvoll verzierten Säulen getragener Balkon erstreckte. Rechts und links, an den Enden zweier L-förmiger Seitenflügel, ragten runde Türme in die Nacht, nahtlos gefügt aus riesigen Blöcken Plastarin-Basalt. Schmale Schießscharten und hutförmige, schindelgedeckte Dächer, auf denen Fahnen mit dem Wappen des Barons wehten, vervollständigten die militärische Anmutung.
Verteilt über Front und Seitenflügel glommen die farbigen Lichter Hunderter mit bunten Vorhängen verschleierter Fenster. Jenseits des Hauses, auf der Kuppe des weitläufigen Hügels, umschmeichelte ein lang gezogener finsterer Schatten das Gemäuer wie ein gigantischer Pelzschal. Offenbar schloss sich dort ein Forst an, ebenfalls Teil der Besitztümer des Barons.
»Bei Batardos!« Ohne den Blick von der beeindruckenden Anlage abzuwenden, warf Jorge sich seinen Umhang über die Schultern, woraufhin dicht neben ihm ein
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