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Der Elbenschlaechter

Der Elbenschlaechter

Titel: Der Elbenschlaechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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Luft schmeckt geheimnisvoll, nach Untiefe und Erwartung. Keine Menschenseele ist unterwegs. Sogar die Katzen halten sich versteckt.
    Nicht mehr lange, dann …
    Er biegt in eine schmale Seitengasse ein.
    Der Vulwoog wartet mit stampfendem Dampfkessel auf ihn, wie immer.

Er öffnet die Tür mit den silbernen Intarsien, zwei Schwerter vor einem stilisierten Herz.
    Er lässt sich auf den Sitz fallen. Das Rumoren des Dampfkessels nimmt zu, der Wagen setzt sich in Bewegung, Richtung Finsternis.
    Er streckt seine feingliedrigen Finger aus.
    Sie zittern kein bisschen.

16
     
     
     
    Vom ersten Moment an empfand Jorge die Atmosphäre im Landhaus von Baron Nitz als gespenstisch. Später, als alles vorbei war, sollte er sogar behaupten, er hätte Hippolit von Beginn an gewarnt. Tatsächlich jedoch verschlug es dem ansonsten nicht wortkargen Troll bereits kurz nach Betreten des Anwesens vor Staunen die Sprache.
    Seite an Seite betraten er und Hippolit eine marmorgeflieste Eingangshalle von der Größe eines Ballsaals. Ein riesiger Kristalllüster, schätzungsweise so schwer wie ein ausgewachsener Equuphant, hing über einem plätschernden Springbrunnen und brach das Licht der in ihm lodernden Kerzen millionenfach. Am gegenüberliegenden Ende führten zwei mit Samt beschlagene Treppen in weiten Bögen zu einer Empore empor, deren Geländer aus feinstem Edelholz bestand. Gigantische Ölgemälde, an unsichtbaren Fäden hängend oder mithilfe von Thaumaturgie levitierend, schmückten die Wände zwischen gewaltigen, bis zur Decke reichenden Buntglasfenstern.
    Ein Diener in einer altmodischen Uniform wie aus dem Zweiten Zyklus, blau gestreift mit goldenen Knöpfen, wuselte aus dem Halbschatten der Empore heran. Auf seinem Haupt saß eine weiße, parfümierte Perücke. Sein Gesicht war dick eingepudert, ein aufgemalter Schönheitsfleck verunzierte eine Wange.
    »Meister Ratist?« Seine Stimme klang so warm und schmierig wie zerlaufener Honig auf Röstbrot. »Und O’Leph, der Troll? Wir haben Sie erwartet. Das Fest ist bereits in vollem Gange.
    Aber Sie kommen noch rechtzeitig, um den Höhepunkt mitzuerleben.«
    In den Händen hielt er zwei Masken, wie man sie normalerweise beim Karneval von Orriri trug, der inoffiziellen achten Jahreszeit Sdooms. Er reichte Hippolit eine. Sie war mit Fell überzogen und versuchte mehr schlecht als recht, das Antlitz eines Fuchses nachzuahmen. Hippolit nahm sie nickend entgegen und streifte sie sich über das Gesicht. Jorge fand, dass er auch mit Maske noch wie ein Knabe aussah; sein schmächtiger Körperbau ließ keinen anderen Schluss zu. Ein schwarz gekleideter, weißblonder Junge in naiver Kostümierung.
    »Und die ist für Sie.« Der Diener reichte Jorge eine Maske mit weißem, ausdruckslosem Gesicht. Am Haaransatz befanden sich ein gutes Dutzend wippende Pfauenfedern.
    »Muss das sein?« Jorge hatte seine Sprache wiedergefunden. »Ich will mich nicht beschweren, aber wir Trolle haben da …«
    »Bedaure. Eine Vorschrift der Gesellschaft.«
    Jorge fügte sich. Die Maske saß etwas zu eng. Geschnürte Lederbänder am Hinterkopf hielten sie vor seinem Gesicht. Durch die enge Mundöffnung konnte er nur mit Mühe atmen.
    Der Diener verbeugte sich so tief, dass er mit der Nase fast den dicken Teppich berührte. »Wenn Sie mir jetzt bitte folgen möchten?«
    Sie schritten hinter dem Lakaien her durch eine von unzähligen Türen, die von der Eingangshalle abgingen, durch hallende Korridore, deren Decken von mächtigen, reich verzierten Säulen gestützt wurden. Die mit Dunkelstein geschmückten Wände, vor denen verwitterte, augenlose Büsten aus weißem Marmor standen, erinnerten Jorge an das Historische Museum von Nophelet.
    Schließlich bogen sie in einen niedrigeren Flur ein. Vor einer schweren Tür verbeugte sich der Diener erneut, als besäße er keine Wirbelsäule.
     
    »Der Baron wünscht Ihnen viel Vergnügen. Sie sind mit den Regeln vertraut?«
    Jorge wollte gerade verneinen, aber Hippolit kam ihm zuvor: »Selbstverständlich kennen wir die Regeln!«
    Der Diener öffnete die Tür.
    Es wird vielfach behauptet, Trolle seien von Natur aus nicht dafür prädestiniert, Lesen und Schreiben zu lernen. Jorge selbst musste zugeben, dass dies oft der Realität entsprach. Trolle waren von »handfester Natur«, wie er es ausdrückte. Es störte ihn jedoch, dass ein Großteil der Bevölkerung deswegen glaubte, Trolle seien dumm und man brauche sie nicht ernst zu nehmen.
    Jorge las Bücher. Wenige. Aber

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