Der Elefanten-Tempel
können.
Nichts war gut.
Mit schwachen, zögernden Schritten, die Ohren eng an den Kopf gelegt, bewegte Devi sich von Laona weg, auf den Park zu. Doch weit kam sie nicht. Sie hob noch einmal den Rüssel, tastete ziellos in der Luft herum, ein gewaltiges Zittern durchlief ihren Körper.Ihre Hinterbeine knickten ein, dann die Vorderbeine. Ihr riesiger Körper kippte auf die Seite.
Nuan war rechtzeitig von ihrem Rücken geglitten, jetzt kniete er neben Devis Kopf. Erschüttert streichelte er ihre Stirn, ihre Ohren, ihren Rüssel, der sich mit letzter Kraft auf ihn zuschlängelte. Ricarda verstand seine leisen Worte nicht, vielleicht bat er Devi, wieder aufzustehen, drängte sie, bei ihm zu bleiben. Devi schnaufte heftig, sie lebte noch, doch ihre Augen wirkten schon glasig, so tief dunkel wie ein See bei Nacht. Noch immer strömte Blut aus ihrer Wunde, fast schwarz wirkte es im Licht der Straßenlaternen.
Ich wollte ihr doch noch eine Kiste Obst ausgeben. Ich habe mich noch gar nicht richtig bedankt . Ein alberner Gedanke, aber er kreiste unaufhörlich in Ricardas Kopf. Sie versuchte ihre Gedanken zu sammeln und zu entscheiden, was sie tun wollte. Schließlich kniete sie sich neben Devis Kopf auf den Boden, legte eine zitternde Hand auf den Hals der Elefantin und sprach einen lautlosen Dank. Danke für alles. Danke, dass du Nuan zu mir gebracht hast. Möge dein Weg ins Nirwana führen.
Ein letztes Zucken durchlief Devi, dann war es vorbei. Leblos lag das riesige Tier da.
Ricarda beugte den Kopf, und ihre Tränen fielen auf Devis Ohr. Dunkle Sprenkel auf hellgrauer Haut.
Jemand kniete neben ihr nieder, berührte sie an der Schulter. Eine fremde Frau. »Don’t cry«, sagte sie leise.»Weine nicht. Tränen bilden im Jenseits einen Strom, den der Tote nicht überqueren kann.«
Ricarda nickte und versuchte die Tränen zu unterdrücken. Sie warf einen Blick auf Nuan, sah, dass seine Augen trocken waren. Starr blickte er auf seine alte Freundin hinunter. Noch immer lag seine Hand auf ihrem Rüssel. Ricarda spürte, dass er sich tief in sich selbst zurückgezogen hatte. Vielleicht bemerkte Nuan nicht mal, dass Ruang und Kaeo inzwischen geschafft hatten, Laona zu beruhigen und einzufangen.
Niemand wagte, Nuan zu stören, nicht Ricarda, nicht die Schaulustigen, die schweigend um Devi herumstanden, nicht die Polizisten, die damit beschäftigt waren, die Ordnung wiederherzustellen – anscheinend hatten sie wenig Interesse daran, herauszufinden, wen sie da getötet hatten.
Der Tod der Elefantin schien die Umstehenden zu berühren. Obwohl sich inzwischen rund hundert Menschen eingefunden hatten, war es sehr still. Einige murmelten etwas, was wie Gebete klang, und jemand hatte einen rituellen Gesang angestimmt, ein monotones, fremdartiges Geräusch. Ein Mann trat heran, legte eine Blumenkette auf Devis Körper, andere brachten Früchte und legten sie neben den Kopf der toten Elefantin wie eine letzte Wegzehrung für den Pfad ins Jenseits.
Dann war auf einmal Kaeo da und nahm respektvoll seine Sonnenbrille ab, während er Devi die letzte Ehre erwies. Er warf Nuan einen besorgten Blick zuund wandte sich dann Ricarda zu. »Was ist passiert? Die Polizei hat angerufen bei uns …«
Es war Zeit für die Wahrheit … oder zumindest einen Teil davon. »Ich habe mich mit Nuan und Devi getroffen, draußen am Tempel Wat Phra That Lampang Luang«, berichtete Ricarda leise und ihre Zunge stolperte über den komplizierten Namen. »Irgendwann bemerkten wir, dass Laona da war. Sie muss aus dem Refuge entkommen sein. Ein Auto hat sie erschreckt, und dann lief sie los, in die Stadt.«
»Zum Glück gehorcht sie wieder. Ruang leitet sie.« Kaeo zögerte. »Wir fahren zurück jetzt. Im Landrover ist noch Platz. Kommst du?«
Ricarda schüttelte schweigend den Kopf.
»Wir kehren morgen früh mit einigen Elefanten zurück, mit denen Devi Freund war. Abschied zu nehmen.«
Dann war Kaeo weg. Und auch die Schaulustigen machten sich wieder auf den Heimweg, einer nach dem anderen. Das zerdellte Motorrad wurde weggeschafft, die umgestürzte Garküche wieder aufgerichtet, die Reste der Parkbank beschlagnahmt. Schließlich fuhren die Polizeiautos ab, ohne dass die Beamten sich die Mühe gemacht hätten, Nuans Papiere zu kontrollieren. Vielleicht hatten sie Angst vor seinem Blick; vor dem, was er sagen würde, wenn sie ihm jetzt zu nahe kamen; vor einem Fluch, der ihnen die Geister zum Feind machte und ihre Zukunft verdorren ließ.
Nur Nuan und
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