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Der elektrische Kuss - Roman

Titel: Der elektrische Kuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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die Elektrizität erforschte und am liebsten auch gleich die ganze Welt. Die es schnell langweilte und dann nach etwas Neuem suchte. Würde so ein unruhiges Leben gut für ihr Kind sein? Charlotte starrte in die Wipfel der Bäume. Oder würde sie auf so einer Farm leben können, mit Samuels Familie? In aller Ruhe und ganz nahe bei diesen Bäumen.
    Der Wald saugte alles auf, auch den hämmernden Druck auf ihr Gehirn, Entscheidungen treffen und Pläne schmieden zu müssen. In dieser fetten, vor sich hin schmarotzenden und gleichzeitig verwesenden Welt brauchte sie nicht einmal mehr sie selbst sein und sich schon gar nicht neu erfinden. Ein Zustand, in dem sich Wandel, Stillstand und Unvergänglichkeit ganz nahe kamen.
    Vielleicht würde Samuel, läge er jetzt neben ihr im Moos, es genau so empfinden, und sie wären endlich wirklich vereint. Zumindest für einen Nachmittag im Wald. Gott konnte hier in jedem einzelnen dieser wunderlichen Blätter bestaunt und geliebt werden, und die Elektrizität schlug sicher von Zeit zu Zeit mit Wollust in die kirchturmhohen Baumkronen ein. Die zu erforschen, würde den Gott dieses großzügigen Landes, von dem man nicht einmal wusste, wo es endete, nicht ärgern. Umgekehrt verstand sie mittlerweile Samuels Ehrfurcht vor der Schöpfung. Sie hoffte aber für ihn, dass seine Angst, etwas falsch zu machen, schwinden würde. Wenn es Gott tatsächlich gab, dann offenbarte er sich hier anders. Größer und gleichzeitig näher, als es in der Bibel stand. Dann dachte sie wieder an ihr Kind und streichelte ihren Bauch. Auf jeden Fall würde sie eine gute Mutter sein. Charlotte fiel in einen traumlosen Schlaf.
    Auf dem Rückweg ereignete sich an einer ihrer unteren Körperöffnungen eine nahezu lautlose Explosion, ein Stöpsel löste sich, lauwarme Brühe sickerte die Innenseite ihrer Beine hinunter. Sie wischte sie mit einem Büschel welken Grases ab. Das Laufen fiel ihr jetzt leichter. Rauch kräuselte sich aus dem Kamin des Steinhauses, und Charlotte fühlte sich beschwingt wie seit Tagen nicht.
    Gleich nachdem sie zu Abend gegessen hatten, rammte die erste Wehe ihren Rücken und versetzte Barbara Yoder in Hochstimmung. Eilig wurde Wasser erhitzt, Leinentücher mussten aus der Truhe geholt werden, die Kinder glotzten und wurden in eine andere Ecke geschickt. Charlotte saß auf der Bank, spreizte unter dem Rock die Beine weit auseinander, ließ die Brühe laufen und bat Samuel, eine Flasche Wein zu öffnen und ihr einzuschenken. Die Sommersprossen auf Sarahs Gesicht glühten, und ihre Nasenflügel zitterten, während sie mit der Witwe und Gottes Gnade saubere, aber oft geflickte Laken über das Bett in der Kammer gleich neben der Küche breitete. Mit dem Gefühl, nur zu stören, ging Samuel in den Stall, um seine beiden Pferde zu striegeln.
    Eine halbe Stunde genügte, dann presste Charlotte ihre Tochter knurrend und zum Ende hin brüllend ins Leben. Was der Witwe Respekt abrang, denn sie hatte noch nicht viele Kreißende, sich selbst eingeschlossen, erlebt, die ihre Sache so schnell hinter sich brachten. Es war ein kleiner, dicht und schwarz behaarter Kopf, der schleimig in Barbara Yoders Hände rutschte. Als Charlotte ihn schließlich sah, fiel eine große Last von ihr ab. Hechtaugen hatte die Kleine auf keinen Fall. Trotzdem nahm sich Charlotte vor, Felix nichts von einer kleinen Tochter zu schreiben. Allenfalls sollte er, bevor er grämlich und bitter würde, und diese Gefahr bestand sehr wohl, erfahren, dass Pennsylvania der einzige Staat auf der Welt war, der ausdrücklich auch Atheisten aufnahm und ihre Versammlungen genehmigte. Noch bei diesen Gedanken bettete Charlotte das kleine rotfleischige Wesen in ihre Armbeuge.
    In derselben Nacht brach der Winter herein. Der Wind kämpfte mit den Angeln der Fensterläden, und fettflockig fiel Schnee. Später verwandelte er sich in Eisflocken, die so ausdauernd auf die Dachschindeln prasselten, dass alle außer Charlotte immer wieder aufwachten. Am Morgen waren sie wadenhoch eingeschneit, und Samuel zimmerte, nachdem er das Neugeborene staunend in seine Arme genommen und geküsst hatte, für die Jungen Schlitten. Barbara Yoder öffnete trotz der Kälte die Haustür, verschränkte die Arme und schaute mit unübersehbarer Genugtuung in die Schneelandschaft hinaus. Jetzt würden sie endlich den amerikanischen Winter kennenlernen, das gönnte sie ihnen! Da drückte sich Ruben an ihr vorbei, den neuen Schlitten unterm Arm. Seine Füße steckten in

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