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Der elektrische Kuss - Roman

Titel: Der elektrische Kuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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Arbeiten ja auch nicht gewohnt und konnte sie ja auch nur erledigen, wenn sie allein war.
    »Ist die französische Modistin doch nicht so genial?«
    »Charlotte, mein Engel …«
    »Ja?«
    Charlotte dämpfte den Ton, erschrocken über den ungewohnten, ernsten Gesichtsausdruck ihrer Mutter.
    »Geh zur Tür und schau, ob keiner davor steht. Und schieb dann am besten den Stuhl unter die Klinke.«
    »Was ist denn los?«
    »Du darfst es, das befehle ich dir, auch nicht diesem Dr. Schubart verraten. Er ist ja immerhin ein Domestik.«
    Charlotte zog die Augenbrauen hoch. Sie mochte nicht, wie ihre Mutter über Felix sprach. Aber die Widerrede blieb ihr im Hals stecken, als sie sah, wie ihre Mutter blitzschnell ein Collier aus dem Nichts hervorkramte. Saphire, schwer, teuer.
    »Der Fürst hat mir gegenüber ein schlechtes Gewissen und verwöhnt mich. Noch nie war es so leicht, aus ihm etwas herauszuholen.«
    Versonnen lächelte sie vor sich hin, und Charlotte war zu verblüfft, um Fragen zu stellen.
    »Naja, und das eine oder andere habe ich in den letzten Jahren schon angesammelt, du verstehst.«
    Charlotte verstand nichts, nickte aber.
    »Kannst du einfädeln?«, fragte Amalia von Geispitzheim, die Grande Dame von Kirchheim mit kläglicher Stimme, griff unter den Sessel und hielt ihrer Tochter bittend die Utensilien hin, »auf die Nähe habe ich solche Schwierigkeiten, und eine Brille, nie und nimmer, auch nicht im Dunkeln.«
    Wie sie es in der Hochstettler Stube gelernt hatte, spuckte Charlotte auf das Fadenende, sodass es geradestand, führte es dann gleich beim ersten Versuch treffsicher durch das Nadelöhr und begann unter den bewundernden Augen ihrer Mutter mit energischen kleinen Stichen das Saphirhalsband in den Saum einzunähen. Glücklicherweise sah sie auf die Nähe ausgezeichnet. Danach machten sie sich noch daran, einen Ring, besetzt mit drei Diamanten, eine Kette aus Flussperlen und ein Armband, über dessen Wert sie sich beide allerdings nicht sicher waren, im Kragen eines Samtcapes und im Pelzfutter zweier Winterröcke verschwinden zu lassen.
    »Auf Vorrat, auf Vorrat, meine Liebe«, murmelte ihre Mutter, »gar nicht wegen der Bretzenheimschen, die kriegt eh viel weniger als ich. Ein paar kleine Ohrringlein, mehr nicht.«
    Amalia von Geispitzheim machte eine wegwerfende Handbewegung und zog ihre schöne griechische Nase kraus.
    »Was mir wirklich Sorgen macht, ist sein Schnaufen. Wie bei einem alten Pferd. Lang macht er es nicht mehr, das sag ich dir.«
    Mutter und Tochter schauten sich tief und vielsagend in die Augen.
    Schon deshalb sog Charlotte jeden Tanz, jede Scharade, Maskerade, jedes Blindekuhspiel und jeden Abend mit Jetons und Spielkarten ein wie frische Luft. Noch nie hatte sie einen so ausgelassenen Karneval im Schloss mitgemacht. Wenn ihr nach dem Aufwachen duftende Hörnchen aus der Schlossbäckerei ans Bett gebracht wurden, tunkte Charlotte sie in Albernheiten und Abenteuerlust. Schon nachmittags um drei Uhr schlürfte sie mit den Austern, die der Fürst den Rhein hinunter von Holland kommen ließ, frivole Neckereien. Nur mit Mühe ließen sich ein, zwei Stunden Mittagsschlaf einschieben, denn ein Amüsement jagte das andere. Ein, zwei Mal half ihr Felix in den frühen Morgenstunden, ihr Zimmer zu finden.
    Wie versprochen bekam Charlotte zwei neue Kleider, dazu drei Paar kaum getragene Handschuhe. Heimlich wurde ein Courier mit Bargeld zu Josef geschickt, damit der Weinkeller und die Vorratskammern wieder gefüllt werden konnten. Die Mutter wünschte sich zu ihrem Geburtstag, der allerdings erst im Mai war, neue Perlenschnüre, dick wie Tollkirschen und lang wie Bohnenranken. Sie bekam sie schon jetzt. Der Fürst wagte nicht, ihr etwas abzuschlagen. Die Mutter trug ein Kostüm mit einem turmhohen Kopfputz aus Draht und Federn, in dem das Schwert des Damokles baumelte. Welch ein Einfall, welche Courage! Was wäre er ohne ihren Sinn für Ironie. Der Fürst applaudierte, und alle mussten es ihm zwangsläufig nachmachen. Die Schäferstündchen mit dem drallen Engel dagegen strengten ihn, so stolz er darauf war, sehr an, mussten aber absolvierte werden, um seine Virilität zu beweisen. Auch wenn die Lakaien berichteten, dass das Ganze sich in zwei, drei gurgelnden Lauten und einem kleinen Quieken erschöpfte, hustete der Fürst danach mindestens zwei Stunden. Und ein gewisses Rasseln in seiner Brust verschwand gar nicht mehr.
    Am Karnevalssonntag tauchte Manteuffel auf. »Die zweite Überraschung

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