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Der elektrische Kuss - Roman

Titel: Der elektrische Kuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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ihrer Kehle gegurrt und geschnurrt hatte. Prompt schwitzte Manteuffel noch mehr. Aber er öffnete brav den Mund. Charlotte ließ ihn auch noch einen tiefen Schluck aus der Branntweinflasche nehmen.
    »Sehr schön, aber jetzt mal ganz weit auf.«
    Als sie sicher war, dass ihre Metallnadel ausreichend, aber auch wieder nicht zu stark aufgeladen war, steuerte sie ihr Ziel an. Im Grunde war es ähnlich wie beim Fadeneinfädeln. Manteuffels Finger krallten sich in das Bettlaken, seine Füße strampelten und sein Kopf zuckte unter Charlottes festem Griff. Als sie aufhörte und sich zurücklehnte, glotzte er sie so starr an, dass sie einen Moment fürchtete, er hätte doch nicht überlebt. Dann spürte sie seinen Atem.
    »Und, was fühlst du?«
    Im Zimmer roch es verbrannt. Leicht, aber deutlich. Manteuffels Zunge wanderte wieder vorsichtig tastend im geschlossenen Mund hin und her.
    »Ich glaube, die Schmerzen sind wirklich weg. Mein Zahn tut nicht mehr weh.«
    »Wirklich? Das ist ja fantastisch, das werde ich diesem Benjamin Franklin schreiben. Hörst du, ich persönlich werde es ihm schreiben. Elektrizität ist ein Wundermittel, universell einsetzbar.«
    Charlotte sackte mit einem glücklichen Seufzer erschöpft in die Kissen. Die Karten waren wieder neu gemischt. Ganz neu.
    »Mein Gott, was ich jetzt für einen Hunger habe.«
    Da richtete sich Manteuffels Oberkörper kerzengerade auf.
    »Wir haben doch einen Handel, Mademoiselle! Haben Sie das vergessen? Jetzt müssen Sie Ihren Teil bezahlen. Öffnen Sie also gefälligst Ihren hübschen Mund. Jetzt mache ich mein Experiment!«
    Der Karneval ging in Kirchheim sehr beschwingt zu Ende. Jeder gratulierte dem Fürsten zu dem Erfolg. Dementsprechend wohlig glitt man in die Fastenzeit hinüber. Als Charlotte am Sonntag nach Aschermittwoch, anschließend an den Gottesdienst, den sie noch zusammen mit dem Hof besuchte, die Kirchentreppen hinunterschritt und ihre Kutsche bestieg, schlug die kleine kostbare Brosche, abgebremst durch einen dicken, mit Kaninchenfell gefütterten Unterrock, aber dennoch spürbar, um angenehm zu sein, gegen ihre Waden.
    An demselben Sonntag fanden sich die amischen Täufer vom Muckentalerhof nach eineinhalb Stunden Fußmarsch auf dem Münsterhof ein. Der Zufall wollte es, dass die große Familie vom Froschauerhof gleichzeitig ankam. Küsse wurden ausgetauscht und ruhige, angemessene Worte, die Frauen lobten Jakobs Wachstum und gesundes Aussehen. Sarah stand mit ausdruckslosem Gesicht abseits. Ruben sah durch sie hindurch. Kein einziges Zeichen, nicht einmal aus dem Augenwinkel oder eine kleine Handbewegung, die der Älteste oder andere Beobachter leicht für das Abwehren einer Fliege hätten halten können.
    Den Gottesdienst, das Essen, das Austauschen der Neuigkeiten auf den Bänken der Frauen erlebte Sarah wie schon am Sonntag zwei Wochen zuvor als Sterben ihrer Mutter. Ihre gellenden Schreie und schließlich ihr Wimmern, das auf- und abschwoll, verstummte und dann wieder begann, die Ausdünstungen des Blutes, das flacher werdende Atmen. Doch nur kurz blieb der Körper in dem blutverschmierten Bett wächsern und starr. Denn die Mutter in ihr starb immer wieder und schrie gegen die Rippen von Sarahs Brustkorb. Es war wie eines der Lieder, zum Beispiel das der holländischen Elisabeth, die ihr Vater oder ein anderer Vorsinger sang. Ganz lang gezogen, das Ende immer schon an den Anfang angebunden.
    Natürlich bekam auch Sarah Suppe und danach Fleisch in einem Teller neben Sauerkraut und Rübenschnitzen. Die Ungetauften, die Kinder, brachten es ihr, mit verlegen gesenkten Köpfen, sodass sie ihre Gesichter nicht sehen konnte, sondern nur den Hut oder die Haube von oben. Die Mutter in ihr schrie gerade wieder sehr auf, als Marille Holly lautlos herantrippelte. Keine sieben und den Zeigefinger auf ihre Lippen gepresst. Während ihre Augen rund und erstaunlich unerschrocken schauten.
    »Magdalena, du weißt schon, meine Schwester, lässt dich grüßen. Und …«
    Das kleine Mädchen musste kurz nachdenken, was sie sich hatte merken sollen: »… und dir sagen, dass sie dich liebt.«
    Sarah nickte. Der Zeigefinger verschloss wieder den kleinen rosa Mund. Sarah legte ebenfalls ihren Zeigefinger an die Lippen. Verschwiegen, versprochen. Für ein paar Minuten ließen die Schreie in Sarahs Brust nach. Mechanisch löffelte und schluckte sie ihr Essen, mit geradem Rücken auf einem Hocker sitzend, der weit abgesondert von den Tischen und Unterhaltungen der

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