Der Elfenhuegel
Ferne eine Burg. Die Zeit, sie zu erreichen, kam ihm unendlich lang vor, denn die Burg war groß und wuchs beim Näherkommen nur langsam an. Sie ging um eine Kurve, und Sean sah einen Mann, der am Straßenrand saß. Er hatte sich auf einem großen Felsen niedergelassen, der an einer Kreuzung von der weißen Straße und einem kleineren Weg lag, der zur Zugbrücke der Burg führte.
Der Junge kniff die Augen zusammen, um die im Nebel liegende Burg besser erkennen zu können, doch bei all seinen Anstrengungen konnte er nur feststellen, daß es ein gewaltiger Ort war, mit Mauern, die eher aus Glas zu sein schienen denn aus Stein. Auf den entfernten Türmen flatterten Fähnchen tapfer in der ungewöhnlichen Brise, und Menschen bewegten sich, obwohl Sean nicht hundertprozentig sicher war, ob es sich wirklich um Menschen handelte. Das Licht an diesem Ort ließ alles Entfernte lustig aussehen. Die Burg erhob sich an einem Strand, der Küste eines großen Sees oder einer Bucht. Sean wunderte sich, daß er eine solch große Ansammlung von Wasser noch nicht sehen konnte. Er schaute zur anderen Seite der Burg und sah, wie die Küste rasch vom Nebel verschleiert wurde, der dann zu silbernem und goldenem Licht verblaßte. Ein Zittern durchfuhr Sean bei dem Versuch, das Gesehene zu verstehen. Ihm kam es wie ein Fernsehfilm vor, in dem das Bild von einer Vorstellung zur anderen sprang, aber mitten in der Auflösung irgendwie steckenblieb. Der Junge schob sein Unbehagen beiseite, ging weiter die Straße entlang, die ihn dahin brachte, wo der Mann saß.
Sean verlangsamte sein Tempo, um sich den Mann beim Vorbeigehen genauer anzusehen. Das dunkle Haar hing dem Mann bis zu den Schultern, und sein Bart war dick und ungekämmt. Er trug ein Hemd aus eisernen Ringen, mit einem Abschluß aus Leder, einfache wollene Hosen, die in Stiefeln aus weichem Leder steckten. Sean dachte, er sieht aus wie ein Wikinger, aber er hat keinen Helm mit Hörnern. Sean näherte sich vorsichtig dem Rand der Straße und kam so auf sechs Meter an den schweigenden Krieger heran, aber der Mann zeigte keine Anzeichen, daß er den Jungen bemerkte. Er schien in Trance zu sein oder so in Gedanken vertieft, daß er nichts anderes wahrnahm. Entlang seiner Kopfhaut verlief eine tiefe Narbe, um die nur sehr wenig Haar wuchs und die aussah, als wäre sie erst vor kurzem geheilt. Sean bemerkte, daß er eine leere Schwertscheide zwischen seinen Knien hielt. Sean ging noch langsamer, damit er vier Frauen in Begleitung eines Dienstgefolges beobachten konnte, die aus dem Rondell der Burg auftauchten und die Brücke überquerten. Jede schien menschlich zu sein, hätte ihre Schönheit nicht eine außerirdische Qualität besessen.
Eine trug königliche Gewänder in Karmesinrot und Gold, während eine zweite, die ebenso prächtig und eindrucksvoll war, ein Kleid in dunklem Grün trug. Die dritte war in Weiß und Silber gekleidet, während die vierte Schwarz trug. Als sie näher kamen, hielt Sean an, unfähig, seine Augen von der wundersamen Prozession zu lassen. Die Frau in Schwarz schien die einzige zu sein, die Sean bemerkte, aber sie sah ihn nur einen kurzen Moment an, mit einem traurigen und resignierten Ausdruck in ihren blauen Augen, als sie ihm den Anflug eines Lächelns schenkte und dann ihr Gesicht dem Mann auf dem Fels zuwandte. Sie sprach so leise, daß Sean die Worte nicht verstehen konnte, doch der Mann schien aus seiner Trance zu erwachen.
Die vier Frauen warteten, während der Krieger langsam aufstand. Er hielt einen Moment inne, als er Sean erblickte, dann sprach er. Er bediente sich einer Sprache, die dem Jungen fremd war, und die Worte wirkten auf ihn kaum, als würde irgendeine Kraft Sean daran hindern, klar und deutlich zu hören, was gesagt wurde, außerdem war seine Haltung unschlüssig und unsicher. Die Frau in Schwarz sprach und warf einen kurzen Blick auf den Jungen. Der Mann nickte und bot der Frau seinen Arm an. Sie nahm ihn, und das Paar bewegte sich auf die Burg zu, die anderen drei Frauen folgten, die Diener bildeten den Schluß.
Sean war von der Pracht fasziniert und fragte sich, wer diese sagenhaften Menschen sein könnten, aber seine Aufmerksamkeit wurde abgelenkt, als er bemerkte, daß sein goldener Führer hinter dem Horizont verschwand. Da erinnerte Sean sich an Barneys Warnung, nicht anzuhalten, wenn er seinen Führer nicht verlieren wollte. Er spürte, wie Panik in ihm aufstieg, als er sah, daß der Führer fort war. Er hechtete hinter der
Weitere Kostenlose Bücher