Der Elfenhuegel
Märchen, als auf dem Schoß ihrer Mutter zuzuhören – wenn sie sie überhaupt lesen.«
»Also nehmen Sie an, daß Aggie nicht sehr viele Variationen findet?«
fragte Phil.
Mark schüttelte seinen Kopf, während Agatha nachsichtig lächelte.
»Wir hatten diese Debatte schon einmal«, äußerte sie vorsichtig. »Mark hat etwas von einem Gesellschaftsanthropologen und behauptet, es gäbe in Europa und Amerika keine wirkliche mündliche Tradition mehr.«
»Na ja, vielleicht bei den älteren amerikanischen Indianern und der Landbevölkerung oben in den Appalachen, aber nirgendwo sonst.
Nicht, wenn man ein Buch zur Hand nehmen und in England und in Amerika dieselbe Geschichte lesen kann. Nein, wenn du Mythen über Cluricaunes erforschst, findest du sowohl im William-Pitt-Bezirk als auch im Kreis Cork dieselbe Geschichte.«
»Was sind Cluricaunes?« fragte Phil.
Agatha sagte: »Leprechauns, kleine, freche Kobolde. Sie werden Lurikeen, Lurigandaun und in verschiedenen Teilen Irlands auch Luricans genannt.«
Gloria lehnte sich zurück. Es ging etwas vor zwischen den Jungen, sie konnte es spüren. Und es ängstigte sie. Im stillen wunderte sie sich darüber, warum sie dieses Gespräch derart anspannte.
Agatha warf den Jungen einen Blick zu und fragte: »Wißt ihr Jungs, was ein Leprechaun ist?«
»Kleine Männer in grünen Mänteln?« fragte Patrick mit einem ungewöhnlichen bohrenden Gesichtsausdruck.
Seans Augen weiteten sich bei Patricks Antwort, dann wurde sein Gesicht plötzlich lebhaft, während er »Darby O’Gill!« herausplatzte.
Phil lachte. »Genau so.«
Mark sagte: »Wer ist Darby O’Gill?«
»Es ist ein Disney-Film, Darby O’Gill and the Little People. Die Jungen sahen ihn, bevor wir Kalifornien verließen.«
»Jaaa«, schmollte Sean. »Wir kriegten den Disney-Sender über Kabel.«
»Ich geb’s auf«, entgegnete Mark. »Die Jungen beziehen ihre Volksmythen aus der Glotze.«
»Sie sind untröstlich, daß es auf der Farm keinen Kabelanschluß gibt«, erläuterte Gloria und fuhr mit der Hand durch Seans wuscheligen Haarschopf. »Jetzt müßt ihr mit drei Sendern auskommen, wie normale Leute auch.«
Phil sagte: »Es sollte eigentlich eine Überraschung sein, Jungs, aber ich habe eine Satellitenantenne bestellt, die nächste Woche installiert wird.«
Die beiden Jungen bekamen große Augen. »Wir werden Hunderte von Sendern kriegen!« rief Patrick.
Angesichts des immer lauter anschwellenden Gelächters im Eßzimmer befahl Gloria den Jungen, ihren Enthusiasmus zu zügeln.
»Der Vater von Barry Walter kriegt den Sender mit den nackten Frauen«, meinte Sean verschmitzt, worauf Gloria barsch entgegnete:
»Darüber werden wir uns zu Hause unterhalten.«
Phil ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und lächelte still vor sich hin. »Ist schon in Ordnung. Ich bekomme das Gerät mit dem Sperrschalter. Verbotene Filme werden die Jungen in den nächsten Jahren nicht zu sehen bekommen.«
Jack und Gabbie kamen mit Kaffee und Kuchen zurück.
»Wo wir gerade von Elfen-Mythen sprechen, weiß jemand, was heute für eine Nacht ist?« fragte Gary.
Mark und Agatha schauten sich an und lachten, aber es war Gloria, die antwortete: »Mittsommernacht.«
»Wie bei Shakespeare?« fragte Jack.
»Angeblich gibt es drei besondere Tage für Elfen: den ersten Mai, den vierundzwanzigsten Juni und den ersten November«, antwortete Agatha. »Das ist gemäß der Legende eine Nacht der Kraft und Feierlichkeiten.«
»Was bedeuten die beiden anderen Tage? Ich kenne den ersten November als Allerheiligen, aber was ist am ersten Mai?«
»Maifeiertag«, äußerte Gray vorsichtig. »Elfen sind Marxisten.«
Die anderen seufzten nachdenklich, als Agatha schon sagte: »Es ist der Tag nach der Walpurgisnacht, genauso wie Allerheiligen auf Halloween folgt. Beides sind Tage der Bewegung.«
Mark Blackman sah, daß die anderen nicht zufriedengestellt waren, und packte sein erstaunliches Wissen aus. »Nach der irischen Tradition bewegen sich die Elfen an diesen beiden Tagen von Ort zu Ort. Wir sprechen vom Aufmarsch der Elfen. Shakespeare ließ sie für immer in der Nacht stehen:
Und wir Elfen, die wir neben dem Gespann der dreigestaltigen Hekate vor der Gegenwart der Sonne herlaufen, der Dunkelheit wie ein Traum folgend.
Aber er steht allein mit dieser Auffassung. Gemäß der Tradition leben die Elfen sechs oder sieben Monate in einem Platz im Wald und begeben sich dann zu einem anderen, der sich vielleicht auf der anderen Seite
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