Der Elfenhuegel
Hälften schneiden, Bauten anheben oder was auch immer.«
Mark lachte. Wenn das Temperament mit ihm durchging, schwelgte Gary gern in üppigen Bildern. Jetzt fuhr er fort: »Eines der merkwürdigsten Dinge dabei ist, daß der Kerl nur ein halbes Jahr oder so in dieser Gegend lebte.«
»Er muß etwas an sich gehabt haben, daß der Vater vom alten Ry sich an so vieles über ihn erinnert.«
»Stadtbekannt, ohne zu übertreiben, ein erstklassiger Unruhestifter, schon zu seinen Lebzeiten eine Legende. Er arbeitete im örtlichen Saloon, der Rooster Tavern, wo er seinen Wagen unterstellte. Mietete sich dort das obere Stockwerk oberhalb der Schankstube. Angeblich starb er im Jahre 1905, aber seinen Körper hat man nie gefunden. Eines Nachts verschwand er nach einer Party. Vermutlich war er betrunken und bewegungsunfähig und fiel in den Fluß nahe der Taverne. Der Gedenkstein wurde als Erinnerung von seinen Kneipkumpanen aufgestellt. Sieht so aus, als wäre er der Anführer einer Gruppe gewesen, so ’ne Art Vorläufer moderner Motorradgangs: ›Raufbolde aller Sorten, Fuhrmänner, Landarbeiter und arbeitslose Randaliere‹, in den Worten der Zeitung. Er hat, so behauptet es zumindest der alte Ry, jedes hübsche Mädchen der Stadt regelmäßig besprungen, einschließlich einer ansehnlichen Anzahl der jungen verheirateten Frauen. Dabei scheint etwas Mysteriöses mitzuschwingen, weil diese Schäferstunden nicht vertuscht wurden, und das ist etwas, was Ry nicht verstehen kann. Die Leute dort sind heute noch ziemlich prüde, also müssen sie damals durch und durch puritanisch gewesen sein. Nun überlege folgendes: Ich sagte zu Ry, es sei merkwürdig, daß keiner der gehörnten Ehemänner versucht habe, ihn rauszuwerfen. Selbst wenn er der stärkste Mann im Ort war, ein Gewehr hinter einem Baum ist ein verdammt guter Ausgleich. Als Antwort zuckte Ry mit den Schultern und sagte: ›Das war eben Wayland. Pa sagte, daß kein Mann seine Hand gegen ihn erheben würde.‹ Er hatte die Macht.«
Mark überlegte. »Welche Macht?« Er schwieg eine Weile, dann fragte er: »Was noch?«
»Angesichts seiner vielen Sexabenteuer fragte ich Ry, ob Wayland hier irgendwelche Nachkommen habe, und Ry sagte: ›Der alte Wayland hat nie Kinder hinterlassen.‹ Das beste, was Ry sich vorstellen konnte, war, daß der alte Junge steril war, und deshalb mochten ihn die Damen so sehr, weil sie keine Angst haben mußten, schwanger zu werden.«
»Also war er ein Casanova«, meinte Mark.
»Ja, aber hier ist ein Datum, das deine empfindliche Neugierde kitzelt.
Er erschien am selben Tag wie Kessler.«
Marks Gesichtsausdruck zeigte lebhaftes Interesse. »Was?«
»Ich fand eine Bemerkung über Kesslers Ankunft: Ein ›Deutscher Gentleman sucht Investitionsmöglichkeiten‹, in derselben Zeitung, die Smith’ Geschäftseröffnung ankündigte. Beide Männer kamen am vierten Mai 1905 an.«
»Aber Kessler kam nicht vor dem zweiten Juni nach Pittsville.«
»Richtig. Kessler mietete sich für wenige Wochen ein Zimmer in White Horse, in der Rooster Tavern, wir nahmen an, daß er einen Teil der Zeit in New York verbrachte –, und dann zog er aus und kam nach Pittsville.«
»Okay, notier das als auffällige Übereinstimmung. Was noch?«
»Hier ist die beste Geschichte von allen. Einige Jahre früher importierte irgend jemand eine Gruppe armer Deutscher – eine Art inoffizielle Arbeitssklaven, sie arbeiteten ihre Überfahrt einige Jahre mühselig ab. Wahrscheinlich lief das Ganze illegal ab, und ebenso wahrscheinlich waren die Stadtbeamten darin verwickelt. Wie auch immer, es gibt eine wirklich pikante Geschichte über Wayland, eine ansässige Matrone und ein deutsches Mädchen. Es scheint, als ob die Matrone eines Nachts in die Küche kam, um die Horsd’œuvres für die Gäste zu servieren, als sie Wayland vorfand, wie er das Mädchen auf dem Küchenboden um den Verstand brachte. Wie auch immer, es gab einen lauten Krach, und es kam heraus, daß er der alten Dame auch einige Freuden bereitet hatte, und daraus ergab sich ebenjene Art von Skandal, wie ihn diese kleinen Städte so sehr lieben. Aber die Quelle des Vergnügens liegt darin, daß die Matrone die Frau vom Major und das Mädchen Helga Dorfmann war. Der Major verheiratete sie mit Kessler, um sie kurz danach aus dem Haus und, wie es aussieht, aus der Stadt zu vertreiben.«
»Kesslers Frau?«
»Keine andere. Sie heirateten keine Woche später.«
»Also gibt es berechtigte Hoffnungen, daß Kessler
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