Der Elfenpakt
es durch das Portal herbeischaffen.«
»Hierher?«
Fogarty runzelte die Stirn. »Jedenfalls theoretisch.«
»Funktioniert er?«
»Ich habe ihn noch nicht getestet.«
Nach einer Weile sagte Pyrgus: »Sie meinen, Sie könnten ihn auf Henry richten und ihn in dieses Vogelh …, ich meine, in Ihren Schuppen übersetzen? Hier und auf der Stelle?«
»Ich könnte es versuchen«, sagte Mr. Fogarty.
EINUNDZWANZIG
A ls Henry das Ende der Straße erreichte, taten ihm die Beine weh, aber seine Probleme fingen eigentlich erst richtig an, als er nach Hause kam. Seine Mutter musste das Geräusch des Schlüssels im Schloss gehört haben, denn sie erwartete ihn bereits in der Diele. Sie wollte zur Arbeit und trug deswegen eins ihrer grässlichen Tweedkostüme, aber ihre Bluse war zerknittert, und unter ihren Augen lagen schwarze Schatten. Sie sah aus, als hätte sie monatelang nicht geschlafen, was ihrem Zorn aber nicht den geringsten Abbruch tat.
»Wo zum Teufel bist du gewesen?«, fuhr sie Henry an. »Wir haben uns zu Tode gesorgt! Anaïs hat in sämtlichen Krankenhäusern angerufen, und ich habe dich gerade bei der Polizei als vermisst gemeldet. Verdammt noch mal, Henry, hättest du nicht wenigstens anrufen können? Wozu haben wir dir denn ein Handy gekauft? Denkst du ein einziges Mal in deinem ganzen … egoistischen … Leben auch nur für eine Sekunde an andere?« Und dann, peinlicher ging es wirklich nicht, schlang sie ihre Arme um ihn und brach in Tränen aus. »O Henry, wir dachten schon, du wärst ermordet worden!«
Er hatte seine Mutter nie zuvor weinen sehen und fühlte sich ganz hilflos. Sie presste ihn so heftig an sich, dass er kaum noch Luft bekam, und er spürte, wie ihre Tränen ihm erst den Unterkiefer hinabkrochen und dann seitlich am Hals hinunterliefen.
»Wo warst du?«, schluchzte sie. »Wo bist du nur gewesen!«
Was sollte er darauf antworten? Es gab keine Antwort, die sie irgendwie zufrieden gestellt hätte. Wo war er denn gewesen? Er war die ganze Nacht und fast den ganzen Morgen herumgelaufen, jedenfalls sah es ganz danach aus. Sie würde wissen wollen, warum, und genau das wusste er ja selbst nicht. Vielleicht hatte ihn ein Auto angefahren, aber er fühlte sich nicht so, als wäre er angefahren worden. Keine gebrochenen Knochen, keine Kopfschmerzen, nicht mal ein Bluterguss. Ein früherer Gedanke kehrte zurück. Vielleicht war diese Gedächtnislücke ja ein Teil seines Nervenzusammenbruchs, dieser Geschichte, Elfen zu sehen und im Elfenreich gewesen zu sein.
»Mama …«, begann Henry.
Er hatte Charlie von seinem Nervenzusammenbruch erzählt. Und Charlie hatte irgendwas dazu gesagt, aber er konnte sich nicht mehr genau erinnern, was.
»Mama«, wiederholte er mit einiger Mühe.
Im Grunde wusste er gar nicht, weshalb sie sich so aufregte. Schließlich war er schon öfter über Nacht weggeblieben. Für gewöhnlich hatte er bei Charlie übernachtet, was oft erst in letzter Sekunde entschieden worden war. Natürlich hatte er immer zu Hause angerufen, aber manchmal waren seine Eltern auch schon im Bett gewesen – sehr besorgt schienen sie also nicht gewesen zu sein –, dann hatte er eben eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen, Herrgott noch mal!
Plötzlich fiel ihm wieder ein, dass er gestern Abend ja tatsächlich eine Nachricht auf den AB gesprochen hatte. Nicht weil er woanders übernachten wollte – er hatte gehofft, abgeholt zu werden. Aber es war niemand rangegangen, also hatte er eine Nachricht hinterlassen. Daran konnte er sich noch deutlich erinnern. Mama, ich hob den Bus verpasst. Kannst du nicht kommen und mich abholen! Wenn du die Nachricht nicht mehr hörst, lauf ich nach Hause.
Schlagartig wurde ihm klar, warum seine Mutter sich so aufregte! Sie hatte die Nachricht nicht mehr abgehört. Nicht vor dem nächsten Morgen. Und dann hatte sie in seinem Bett nachgesehen und festgestellt, dass er immer noch nicht zu Hause war. Sie hatte sich nicht etwa Sorgen gemacht, sie hatte ein schlechtes Gewissen! Es war so typisch. Sie konnte niemals zugeben, selbst irgendetwas falsch gemacht zu haben. Sie hatte sich überhaupt keine Sorgen um ihn gemacht. Sie war ins Bett gegangen und hatte bis zum Morgen keinen Gedanken an ihn verschwendet. Und nun machte sie ein Mordstheater, um davon abzulenken.
»Mama«, sagte Henry. Er packte ihre Arme mit festem Griff und wand sich los. »Mama, es ist dir doch scheißegal, wo ich gewesen bin.«
Ihm kamen die Tränen, und er rannte
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