Der Elfenpakt
ist Hairstreaks Vampir – das merke ich am Geruch. Und er macht sich wegen irgendetwas Sorgen, das merke ich auch am Geruch. Aber ich weiß nicht, weshalb. Ich kann nur Wahrheit spüren, Gedanken lesen kann ich nicht.«
Blue blieb fast die Luft weg. »Vampir? Onkel Hairstreak hat einen Vampir!«
»Der schlaffe Jüngling, der sich neben der Tür herumdrückte. Der auch mit reinwollte. Ich hab vergessen, wie dein Onkel ihn genannt hat.«
»Pelidne«, sagte Blue. »Pelidne ist ein Vampir?«
»Ist dir denn nicht aufgefallen, wie bleich er war?«
Blues Stimme war lauter geworden. Sie zwang sich, leiser zu sprechen. »Aber ich hätte ihn nie für einen Vampir gehalten.« Vampirdiener waren verboten, aber es war albern zu glauben, dass dies für ihren Onkel Hairstreak irgendeine Rolle spielte. »Warum hast du mir das nicht gesagt?«
»Ich hielt es für unwichtig«, sagte Flapwazzle.
»Für unwichtig?«, zischte Blue. »Er hätte unser Blut trinken können!«
»Meins hätte er nicht getrunken«, schnaubte Flapwazzle. »Dagegen sind sie allergisch.«
Hairstreak hatte die Tür inzwischen geöffnet, und draußen stand tatsächlich Pelidne. Er beugte sich vor, um Hairstreak irgendetwas ins Ohr zu flüstern, und Blue konnte sich gerade noch zurückhalten, ihrem Onkel eine Warnung vor der lauernden Gefahr zuzurufen.
Hairstreak zuckte zurück wie von der Tarantel gebissen. »Drei?«, zischte er und warf durch die offene Tür einen Blick zu Blue hinüber.
Der Mann namens Pelidne – der Vampir namens Pelidne – kam näher und flüsterte noch etwas.
»Das gefällt mir überhaupt nicht«, murmelte Flapwazzle. »Ich denke, wir sollten verschwinden.« Er begann Blues Bein hinaufzuklettern.
Blue erhob sich, ohne abzuwarten, bis Flapwazzle sich wieder an ihrem Rücken festgeklammert hatte. »Unsere Angelegenheit hier ist erledigt, Onkel«, sagte sie mit ihrer gebieterischsten Stimme. »Ich akzeptiere Euer Verhandlungsangebot.« Sie wollte würdevoll hinausschreiten, was aber misslang, weil Flapwazzle ihr am Knie hing.
Lord Hairstreak verstellte ihr rasch die Tür. »Eure Majestät«, sagte er formell. »Es haben sich Dinge ereignet, über die Ihr Bescheid wissen solltet.« Er blinzelte langsam, wie eine Eidechse. »Falls Ihr nicht schon längst Bescheid wisst«, fügte er leise hinzu.
Blue wusste nicht Bescheid, deshalb war ihre Miene vollkommen echt. Genauso echt wie die Panik, die in ihr aufstieg. Ihr schwante etwas von dem, was Flapwazzle spürte – inzwischen hing er ihr leicht zitternd an der Hüfte –, und es war wirklich Furcht einflößend. Ihr einziger Gedanke war nun, aus dem Herrenhaus herauszukommen und in ihren Flieger zu steigen.
»Ich muss zurück in den Purpurpalast«, sagte sie verzweifelt, immer noch bemüht, so zu tun, als wäre nichts. »Man erwartet mich dort, und Flapwazzle müsste schon längst im Bett sein…«
Flapwazzle schaffte einen kleinen Sprung und wickelte sich um ihren Bauch. »Lauf!«, zischte er.
Sie hätte es sogar versucht, aber Lord Hairstreak packte sie am Arm. »Hier entlang, Eure Majestät«, sagte er wütend. Er zerrte sie fast aus dem Zimmer und zehn Schritte den Korridor entlang. Dann blieb er stehen. »Hätten Eure Majestät die Güte, dies hier zu erklären?«, fragte er.
Vor der Treppe lagen drei reglose Körper.
SECHSUNDDREISSIG
Z uerst sah Blue nichts als die schlaffen, übereinander liegenden Leichen mit ihren schrecklichen Wunden, dann wanderte ihr Blick nach oben zu dem vertrauten roten Haarschopf. »Gott des Lichts«, flüsterte sie. »Pyrgus!« Sie riss sich von Hairstreak los und kniete auf einem Bein nieder. Pyrgus war nahezu achtlos über einen Körper mit orangefarbener Haut geworfen worden – Madame Carduis trinianischer Diener Kitterick. Und – ja – Henry. Blue verspürte ein solches Engegefühl in ihrem Brustkorb, dass fast ihr Herz ausgesetzt hätte. Sie wandte sich um und blickte zu Hairstreak hinauf. »Ihr habt sie umgebracht!«, keuchte sie. »Ihr habt sie umgebracht!«
»Seid nicht albern«, fuhr Hairstreak sie an. »Keiner von ihnen ist tot. Die Frage ist nur: Was hatten Eure Leute hier zu suchen?«
Blue beachtete ihn nicht. Bei genauerem Hinsehen stellte sie erleichtert fest, dass Pyrgus atmete. Und auch Henry. Aber unter Pyrgus sickerte ein großer roter Fleck hervor, und Henrys Haar war blutverschmiert. Wie stark Kitterick verletzt war, ließ sich so kaum erkennen, weil Pyrgus über ihm lag – aber wie sie den Zwerg kannte, hatte
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