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Der Elfenpakt

Titel: Der Elfenpakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbie Brennan
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Sie hatte noch immer keine Erklärung, wie sie wohl dort hingekommen waren.
    Henry hockte am Boden, den Rücken an eine Wand gelehnt. Seine Augen waren geschlossen, doch Blue wusste, dass er nicht schlief.
    »Du kannst mich doch nicht ewig hier festhalten!«, rief sie. Es würde überhaupt nichts ändern, aber sie musste etwas sagen, um die Eintönigkeit dieses Ortes zu durchbrechen. So langsam verlor sie jegliches Zeitgefühl.
    »Sie werden bald kommen und uns abholen«, sagte Henry, ohne die Augen zu öffnen.
    »Wer wird uns abholen?«, fragte Blue mit Nachdruck, nicht zum ersten Mal.
    Henry antwortete nicht. Diese Frage beantwortete er nie. Er musste verrückt geworden sein.
    »Ich muss aufs Klo!«, fiel ihr plötzlich ein.
    »Der Raum resorbiert jegliche Form von Abfällen«, erklärte Henry.
    »Du willst, dass ich da in die Ecke gehe!?«, fuhr sie ihn an. Sie war wütend auf Henry, wütend über die Art und Weise, wie er sie entführt hatte, wütend über die Art, wie er sich benahm. Sie erkannte ihn überhaupt nicht wieder. Von seiner früheren Persönlichkeit war nichts übrig geblieben.
    »Ich möchte nicht, dass du überhaupt irgendwo hingehst«, sagte er ungerührt. Sie konnte nicht fassen, wie sehr er sich verändert hatte. Es war, als wäre ihm nichts mehr wichtig. Weder sie noch sonst irgendetwas schien für ihn noch von Bedeutung zu sein. Er war dermaßen herrisch und aggressiv gewesen, als sie das Haus ihres Onkels verlassen hatten. Und seit sie hier waren, hatte er sich nicht mehr von der Stelle gerührt.
    »Ich habe Hunger!«, erklärte Blue laut und deutlich, in der Hoffnung auf eine vernünftige Antwort.
    »Es gibt nichts zu essen«, sagte Henry. »Aber sie werden bald kommen und uns abholen.«
    Wer wird uns abholen! Irgendwie hatte sie jedes Mal Angst vor dieser Frage – oder besser: vor der Antwort. Sie konnte nicht glauben, dass Henry möglicherweise für Lord Hairstreak arbeitete – das war eigentlich undenkbar. Aber für irgendjemanden musste er arbeiten. Und diese Leute würden bald auftauchen.
    Das alles ergab keinen Sinn. Wenn ihr Onkel geplant hatte, gegen sie vorzugehen – sie entführen oder töten zu lassen –, warum hätte er Henry dann in die Sache mit hineinziehen sollen? Ihr Onkel hatte sie doch ohnehin in seiner Gewalt gehabt. Zuerst war sie ganz ohne Leibwächter gewesen, und später hatte sie keinen Schutz gehabt außer einem einzigen verletzten Trinianer. Hairstreak hätte sie …
    Sie hielt mitten im Gedanken inne. Niemand sollte erfahren, dass er selbst sie entführt hatte. Er konnte die Entführung nicht in seinem eigenen Herrenhaus durchziehen. Das war der Grund, weshalb er Henry eingesetzt hatte. Es war alles ganz einfach.
    Blue ertappte sich plötzlich dabei, dass sie das Undenkbare dachte. Alles passte zusammen. Henry hatte sie an ihren Onkel verraten. Sie blickte zu ihm hinüber und spürte, wie ihr übel wurde. Was hatte Hairstreak ihm wohl dafür geboten?
    Sie fragte sich, was er wohl tun würde, wenn sie ihn angriff. Er war stärker als sie – an der Stelle, wo er sie im Herrenhaus am Arm gepackt hatte, prangte ein großer blauer Fleck –, aber er wirkte nicht gerade wachsam. Immer wieder schloss er die Augen. Aber er schlief nicht. Es sah eher so aus, als würde er sich auf irgendetwas konzentrieren, fast wie ein Lauschen. Trotzdem …
    Wenn sie abwartete, bis seine Augen zufielen, konnte sie sich anschleichen und ihm den Stimlus seitlich an die Kehle drücken. Ja, das konnte sie. Auf jeden Fall. Es wäre ganz einfach. Sie merkte, wie sie mit sich rang. War sie wirklich in der Lage, Henry zu töten, ganz gleich, was er getan hatte? Konnte sie …
    Doch ihr innerer Konflikt war abrupt beendet, als ihr einfiel, dass sie den Stimlus ja gar nicht bei sich trug. Es war ihre Entscheidung gewesen, ihn vorsichtshalber nicht mitzunehmen, falls die Sicherheitszauber ihres Onkels Waffen aufspürten.
    Aber konnte sie Henry ohne den Stimlus überwältigen? Auf ihn losgehen und ihn würgen, bis er das Bewusstsein verlor? Ein alberner Gedanke. Es war ganz und gar unmöglich, dass sie stark genug war, selbst wenn sie es schaffte, sich zu überwinden. Und was würde es ihr nützen? Was hatte sie überhaupt davon, wenn sie ihn umbrachte? Sie hatte keine Ahnung, wie sie in diesen unheimlichen Raum gelangt war, und sie wusste auch nicht, wie man wieder herauskam. Es gab weder Fenster noch Türen …
    Oder etwa doch?
    Plötzlich fiel ihr auf, dass sie bisher alles nur dem äußeren

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