Der Elfenpakt
»Es ist im wahrsten Sinne des Wortes so gewesen. Dieser Junge aus der Gegenwelt versuchte sie hinauszubringen. Pelidne wollte ihn aufhalten. Der Junge tötete ihn, und dann verschwanden er und Kaiserin Blue.«
»Könnte er sie in die Gegenwelt mitgenommen haben?«
»Ich wüsste nicht, wie«, sagte Hairstreak. »Aber ich habe dich nicht hergebeten, um dieses Rätsel zu diskutieren. Blue ist weg. Unsere Angebote wurden ausgeschlagen. Wir müssen unsere Strategie entwerfen.«
»Wir müssen dafür sorgen, dass die Kaiserin zurückkommt«, sagte Hamearis ohne Umschweife. »Es wurde ein Countdown ausgelöst.«
»Ich habe von dem Gerücht gehört«, sagte Hairstreak leichthin. »Aber ich bezweifle, dass es stimmt.«
»Es stimmt sehr wohl«, erwiderte Hamearis. »Ich weiß es von meinem Geheimdienst.«
Hairstreak blickte ihn wie vom Donner gerührt an. »Bist du sicher?«
»Ich frage mich, weshalb dir deine Spione davon nichts erzählt haben.«
Hairstreak fragte sich dasselbe. Es würden Köpfe rollen. Mal ganz davon abgesehen, dass ein aktivierter Countdown laut Protokoll eigentlich allen betroffenen Parteien mitgeteilt werden musste. Blue hätte dafür sorgen müssen, als sie ihn ausgelöst hatte. Und der amtierende Kaiser hätte den Countdown sofort nach Bekannt werden ihres Verschwindens bestätigen müssen. Wer amtierte überhaupt als Kaiser? Pyrgus, nahm er an ; aber er war sich nicht sicher. Hairstreak starrte Hamearis entsetzt an. Er konnte kaum fassen, wie ungeheuerlich dieser Verrat war. Und auch, dass er selbst so dumm gewesen war, ihn nicht vorauszusehen. Die ungeschönte Wahrheit lautete, dass er Blue unterschätzt hatte. Er hatte sie für ein Kind gehalten.
»Wie lange?«, fragte er.
»Drei Tage.«
»Von ihrem Besuch an gerechnet oder ab dem Zeitpunkt ihres Verschwindens?«
»Ist doch dasselbe, wenn ich es richtig verstanden habe.«
»Stimmt, du hast Recht.« Hairstreak starrte ihn nachdenklich an. »Das ändert alles.«
Hamearis grinste. »Es ändert vor allem den Zeitplan. Was hattest du vor, Blackie?«
»Vor?«
Hamearis setzte sich in seinem Sessel auf. »Also, komm schon – du hast das Verhandlungsangebot doch zu keinem Zeitpunkt favorisiert. Du wolltest am liebsten sofort angreifen, solange die Lichtelfen ein Kind an ihrer Spitze hatten. Ich wollte dasselbe …«
»Du wolltest dasselbe?«, rief Hairstreak aus. »Du hast im Rat doch gegen mich gestimmt!«
»Natürlich hab ich das«, sagte Hamearis leichthin. »Dir fehlte die Rückendeckung. Aber das hat sich inzwischen ja geändert. Wie lautet dein Plan?«
Hairstreak zögerte eine Sekunde, dann antwortete er: »Überraschungsangriff. Sie überrumpeln.« Er wandte den Blick ab und fügte wütend hinzu: »An einen Countdown habe ich einfach nicht gedacht.«
Hamearis beugte sich vor. »Es könnte einen Weg geben, die Handlungsmacht wieder zu gewinnen.«
Hairstreak blickte ihn erneut an. »Was schlägst du vor?« Der Herzog von Burgund war mit jedem Zoll ein Kriegsveteran. »Wir enthaupten das Ungeheuer«, sagte er. »Sie haben ihre Kindkaiserin bereits verloren. Ich sage: Beseitige den Rest ihrer Führungsriege. Töte Prinz Pyrgus und alle anderen Thronanwärter. Töte die Führung ihres Geheimdienstes. Diese alte Hexe sitzt uns schon viel zu lange als Stachel im Fleisch. Töte ihren Torhüter aus der Gegenwelt – wie heißt er noch? Fogarty? Töte deine Schwester Quercusia. Sie ist zwar verrückt, aber sie hat Kaiserliches Blut in den Adern und könnte Leute um sich scharen. Wenn das alles erledigt ist, ist der Weg frei für einen Präventivschlag gegen den Palast und für die Absetzung der Generäle. Wenn sie ohne Führung sind, werden die Lichtlinge lammfromm sein. Dann können wir auftauchen und das Ruder übernehmen – du kannst auftauchen und es übernehmen. Es ist eine Operation im kleinsten Kreis, Hairstreak. Ich kann das für dich in die Wege leiten – ich beauftrage die Attentätergilde, damit nichts auf uns zurückfällt. Es ist problemlos zu schaffen, noch ehe der Countdown abläuft.«
Hairstreak starrte ihn einen Moment lang an, dann sagte er: »Tu es.«
FÜNFZIG
D er Raum war ein nichts sagender weißer Würfel, etwa fünfeinhalb Meter lang und breit. Es gab keine Möbel, keine Türen oder Fenster, keine Gardinen oder Teppiche, obwohl der Boden sich unter den Füßen weich anfühlte. Blue konnte keine Lichtquelle entdecken, trotzdem war der Würfel in ein sanftes Weiß getaucht, weder zu hell noch zu dunkel.
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