Der Elfenpakt
Anschein nach beurteilt hatte. Was sie sah, war ein nichts sagender Raum, aber das, was sie sah, musste ja gar nicht unbedingt der Wirklichkeit entsprechen. Ihr fiel wieder ein, wie sie damals in Brimstones Privaträume eingebrochen war. Alles hatte anders ausgesehen, als es tatsächlich war, bis sie den Illusionszauber entdeckt hatte. Hier konnte es schließlich genauso sein. Ein Illusionszauber vermochte das ganze äußere Erscheinungsbild zu verändern. Das Licht musste schließlich irgendwo herkommen, also war die Lichtquelle offenbar verborgen.
Sie musterte Henry. Er hatte die Augen wieder geschlossen. Würde er spüren, wenn sie sich bewegte? Es gab nur eine Möglichkeit, es herauszufinden. Vorsichtig begann sie, sich an einer Wand entlangzutasten. Henry rührte sich nicht.
Sie bewegte sich vorsichtig und sehr langsam. Jeden Moment konnte er die Augen wieder aufschlagen, und wenn er es tat, wollte sie so tun, als ob sie nur eben ihre Beine ausstreckte. Es würde nicht so einfach sein, einem Illusionszauber auf die Schliche zu kommen. Ein guter Zauber veränderte auch die Beschaffenheit eines Gegenstandes, nicht nur seine Erscheinung. Aber selbst die besten waren nicht gut genug, um den Geruchssinn ebenso leicht zu täuschen wie die Augen. Wenn man behutsam vorging, ließen sich verräterische Hinweise finden. Doch das bedeutete, dass man dicht an den Gegenstand herangehen musste. Sehr dicht. Falls Henry die Augen öffnete, wenn sie gerade ihre Nase an die Wand presste, würde er sofort durchschauen, was sie vorhatte.
Sie sah sich um. Er hatte die Augen immer noch geschlossen, aber seine Lippen bewegten sich lautlos, und sein ganzer Körper war gespannt wie eine Sprungfeder. Die Augenlider flackerten.
Blue erstarrte. Da war eine Tür! Nicht mal gut verborgen – nur nicht zu sehen. Doch die Umrisse waren deutlich zu spüren. Sie warf einen Blick zu Henry hinüber. Er hatte die Augen noch immer nicht wieder geöffnet.
Vorsichtig stemmte Blue sich gegen die Tür.
Sie ging auf.
EINUNDFÜNFZIG
D er Privatflieger war fantastisch! Seine Höchstgeschwindigkeit übertraf die eines Ouklous um das Siebenfache. Ein Wort genügte, und schon flog er einen Looping. Er lag ganz ruhig in der Luft, und wenn man abrupt in die Schräglage ging, ertönte dieses verblüffende Summen. Wäre Pyrgus nicht in einer ernsten Mission unterwegs gewesen, er hätte eine Menge Spaß haben können.
Unter ihm lag nun das Straßennetz der Stadt Yammeth, und er konnte bereits die enorme Grünfläche erkennen, zu der sie wollten. Pyrgus ging in den Sturzflug über.
»Sieht unser Plan vor, auf Ogyris’ Gelände abzustürzen, Sir?«, erkundigte sich Kitterick. »Falls nicht, verfügt Kaufmann Ogyris vielleicht auch über einen Landeplatz.«
»Ich denke, dass er wahrscheinlich auch über eine Luftabwehr verfügt«, sagte Pyrgus und runzelte die Stirn. »Außerdem soll er nicht erfahren, dass wir hier sind. Ich dachte, wir landen irgendwo am Stadtrand und gehen den Rest zu Fuß.«
»Es gibt einen öffentlichen Landeplatz ganz in der Nähe vom Haupttor des Anwesens, Sir.«
»Echt? Woher weißt du das?«
»Man hat mich mit Stadtplänen von Yammeth ausgestattet, Sir.«
»Du hast Karten dabei? Die hättest du mir ruhig mal zeigen können!« Da Pyrgus nie zuvor einen Privatflieger gesteuert hatte, war es ihm gar nicht so leicht gefallen herzufinden.
»Sie existieren nur in meinem Kopf, Sir. Sind in mein Gehirn gebrannt. Ich fürchte, dass ich lediglich mental auf sie zugreifen kann.«
Pyrgus schaltete den Autopiloten ein und ließ ihn einen weiten Bogen über der Stadt beschreiben. »Dieser öffentliche Landeplatz – würde ein Lichtelfenflieger da nicht ein bisschen zu sehr auffallen? Ich möchte nicht unbedingt, dass die Nachricht von unserer Ankunft gleich die Runde macht.«
»Oh, ich denke nicht, Sir«, lautete Kittericks nüchterne Antwort. »Nachtelfen benutzen sehr viel mehr verschiedene Lufttransportmittel als wir, und es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen auf dem Landeplatz. Ein Flieger mehr oder weniger wird da kaum auffallen. Außerdem hat unser Flieger ja kein Kennzeichen.«
Pyrgus dachte kurz darüber nach. Ein langer Spaziergang durch die Stadt war das Letzte, was er sich wünschte. Wenn der Landeplatz sich wirklich in der Nähe des Tors befand …
»Okay«, sagte er. »Wo ist er?«
»Das grün umsäumte große Rechteck, geradeaus und ein wenig nach steuerbord, Sir.«
»Hab ich«, sagte Pyrgus. »Wir setzen
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