Der Elfenpakt
Im Moment ist es abgeschaltet.« Henry zögerte. »Wenn es an ist, bin ich ebenfalls ein Dämon.«
»Du meinst, du bist besessen?« Sie erinnerte sich an das entsetzliche Gefühl, als Black John ihr in den Kopf gekrochen war.
»Schlimmer«, flüsterte Henry. »Es verändert mich ganz und gar.«
Allmählich begann sie zu begreifen. Und es machte ihr Angst. »Du wirst zu einem Dämon?«
Henry nickte. »Ja.«
DREIUNDSECHZIG
D ie saßen nebeneinander auf dem scheußlich roten Bett. Henry war verkrampft und achtete peinlichst darauf, Blue nicht zu berühren. »Es gibt Dinge, die du wissen musst«, sagte er. Blue blickte ihn an und wartete.
»Ich kann sie dir nur sagen, solange mein Implantat ausgeschaltet ist. Im Moment bin ich ich selbst, aber ich kann mich erinnern. Ich weiß, was die Dämonen tun. Ich weiß, was Beleth vorhat.«
»Was?«, fragte Blue.
»Er will die totale Macht«, sagte Henry. »Die Eroberung eurer und meiner Welt.«
Der Plan existiere schon seit Jahren, sagte Henry. Das Ziel war die Herrschaft der Dämonen über das Elfenreich und die Gegenwelt – die Welt der Menschen. Den Weg dahin sollte ein Zuchtprogramm ebnen. Beleth hatte entschieden, es zunächst in der menschlichen Welt zu testen.
Zuvor hatte es nur gelegentliche Übergriffe von Dämonen auf Menschen gegeben. Doch der neue Plan bedeutete das Ende aller sichtbaren Aktionen. Die Dämonen stellten den Menschen nicht mehr offen nach, sondern konzentrierten sich stattdessen darauf, Einzelpersonen zu entführen und sich mit ihnen zu paaren. Eine schwierige Sache. Die Nachkommen waren oft kränklich, und viele von ihnen starben. Doch die Zahl der Überlebenden war groß genug, um sie in der Menschenwelt auf Machtpositionen zu schleusen.
»Sie begannen mit Stammeshäuptlingen und Medizinmännern in Afrika«, sagte Henry. »Später waren es dann europäische Könige und ihre Ratgeber, Päpste und Priester und solche Leute. Und in neuerer Zeit sind es Politiker und Diktatoren. Natürlich sind nicht alle von Grund auf schlecht, aber manche von ihnen sind Dämonenkinder und durch ihr Blut mit dem Höllengeist verbunden. Sie drängen schon seit Ewigkeiten die Menschheit immer weiter in Richtung Hölle.«
»Ist das denn niemandem aufgefallen?«
»Das war ja das Schlaue daran«, antwortete Henry - seine Stimme klang müde. »Als sie begannen, sich bei den Menschen einzuschleichen, taten sie alles, um jeden davon zu überzeugen, dass es in Wirklichkeit gar keine Dämonen gibt.«
»Das ist doch lächerlich«, sagte Blue.
»Ja.« Henry nickte. »Beleth hätte auch nie gedacht, dass Menschen so dumm sein könnten, aber einer seiner Ratgeber entwarf eine Strategie. Anstatt sich zu verbergen, erschienen sie den Menschen immer wieder, aber in alberner Gestalt. Als Kobold oder Boggart oder so was. Alles, was irgendwie schwachsinnig wirkt. In letzter Zeit sind es kleine grüne Männchen aus dem Weltall. Und die nimmt natürlich niemand ernst.«
»Moment mal«, unterbrach ihn Blue. Etwas, das er zuvor gesagt hatte, beschäftigte sie. »Wenn es so schwer war, sich mit Menschen zu paaren, warum pflanzen sie ihnen dann nicht einfach Implantate ein wie bei dir?«
»Eine neue Technologie«, sagte Henry. »Als Beleth damals seine Pläne schmiedete, gab es das einfach noch nicht. Inzwischen haben sie natürlich angefangen, Implantate zu benutzen. Der britische Premierminister und der amerikanische Präsident haben zum Beispiel beide eins. Aber die Dämonen müssen vorsichtig sein. Die Dinger sind auf Röntgenbildern zu erkennen. Wenn die Menschen entdecken würden, was da wirklich im Gange ist, könnte es Beleths ganzen Plan zunichte machen. Das will Beleth nicht, dafür ist es bis jetzt zu gut gelaufen … Du verstehst schon …«, fügte Henry hinzu.
Nach einer Weile sagte Blue: »Was verstehe ich?«
»Warum wir hier sind«, sagte Henry.
Blue verstand nichts von alledem. Sie hätte Henry am liebsten gepackt und geschüttelt, doch sie beherrschte sich. »Warum sind wir hier, Henry?«, fragte sie ruhig.
»Wegen der Einschleusmethode«, sagte Henry. »Sie hat in meiner Welt so gut funktioniert, dass sie es auch im Elfenreich versuchen wollen.« Er hielt inne, drehte den Kopf weg und murmelte: »Unser Kind soll das erste sein.«
VIERUNDSECHZIG
I m Rohrpostschacht nach oben zu fahren war sehr viel weniger unangenehm als abwärts. Und man brauchte bei Reiseantritt nicht ins Leere hinauszutreten. Während sie Seite an Seite dahinschwebten,
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