Der endlose Tod
wahrscheinlicher wurde es.
Sie war eine starke Frau, aber nicht stärker als Vater, so dass ein körperlicher Angriff gegen ihn letztlich zwecklos wäre. Aber Gift... nun, das würde ein Gleichgewicht herstellen. Ein Giftanschlag hatte eine schreckliche, abstoßende Kälte an sich, aber auch eine hässliche Faszination an dem Vorgang. Dabeizustehen und Besorgnis vorzutäuschen, während man mit heimlichem Interesse beobachtete, wie die Substanz allmählich ein Leben auslöscht – dies war ein Grad von Bosheit, der mir so fremd war, dass ich seine Existenz kaum anerkennen konnte. Aber er existierte, hier in unserem Haus.
»Was wirst du tun?« Meine Stimme war gespenstisch dünn.
»Vorsichtiger sein«, kam seine einfache Antwort.
Du wirst mehr als das brauchen, dachte ich, und mein Herz wog bleischwer. Elizabeth gab ein ersticktes Geräusch von sich und drehte sich weg, um ihre Tränen zu verbergen.
Viel mehr als das.
Archimedes und Jericho fanden kein Laudanum, weder in dieser Nacht, noch in den kommenden Tagen. Sie waren bei ihrer Suche äußerst gewissenhaft gewesen, aber es blieb nur die unbehagliche Schlussfolgerung, dass entweder nichts zu finden war oder dass Mutter ein intelligenteres Versteck gefunden hatte. Beldon gab einer kleinen Hoffnung Ausdruck, dass die Menge an Laudanum, die aus seinem Arztkoffer entwendet worden war, an jenem Abend vollständig verbraucht worden sei. Doch glaubte niemand wirklich daran.
Beldon kümmerte sich darum, dass ein stabiles Schloss an seiner Arzttasche angebracht wurde, und begann sein Zimmer abzuschließen, wenn er es verließ. Er trug beide Schlüssel mit sich herum und entwickelte bald die Gewohnheit, sich ab und zu auf die Tasche zu klopfen, in der sie lagen, um sicherzugehen, dass sie sich auch wirklich darin befanden. Es schien, als sei ihr leises Klicken eine Quelle großer Beruhigung für ihn.
Außerdem führte er – auf Vaters eindringliche Bitte – die Geschichte über den Anfall von fliegender Gicht fort. Es war schlimm genug, dass wir die Wahrheit hinter seiner Krankheit kannten, doch es wäre noch viel schlimmer gewesen, wenn die anderen sie ebenfalls gekannt hätten. Wenn alle unter dem gleichen Wissen gelitten hätten ... nun, die Belastung und die Sorge hätten das Haus zu einem Ort gemacht, an dem zu leben unmöglich geworden wäre.
Die Geschichte diente auch dazu, den Grund zu verschleiern; warum Beldon für Vaters Speisen eine genaue Überwachung durch Mrs. Nooth forderte. Was die Getränke betraf, so benötigte der Schrank in der Bibliothek, welcher einen kleinen Vorrat an Weinen und geistigen Getränken enthielt, ebenfalls ein Schloss. Vater deutete dem Schlosser gegenüber einen Bagatelldiebstahl seiner Vorräte an und sagte ihm, dass er den Trinker lieber verwirren wolle als ihm entgegenzutreten. Diese Geschichte war so verbreitet, dass sie es kaum wert war, wiederholt zu werden. Dies war genau das, was Vater hoffte und wahrscheinlich auch erreichte.
Am nächsten Tag war Vater wackelig auf den Beinen. Sein Körper war noch immer damit beschäftigt, sich von den Nachwirkungen der Überdosen Laudanum und Kaffee zu erholen, aber am kommenden Tag war er schon wieder mehr er selbst, und danach verließ er wieder das Haus, um seinen üblichen Geschäften nachzugehen. Er machte einen kurzen Besuch bei Mrs. Montagu, was er mir gegenüber später erwähnte.
»Ich sagte ihr, dass die Dinge hier schwierig werden und meine Anwesenheit erfordern, so dass sie mich nicht mehr so oft sähe. Ich habe ihr nicht erzählt, was geschehen ist, und ich wünsche auch nicht, dass sie es erfährt.«
»Hat sie etwa kein Recht dazu?«, fragte ich.
»Doch, aber sie hat im Augenblick genug eigene Lasten zu tragen. Später, wenn ich dazu bereit bin, wird sie alles erfahren, aber jetzt noch nicht. In der Zwischenzeit würde ich es zu schätzen wissen, wenn du ab und zu bei ihr vorbeisehen könntest, wenn du ... unterwegs bist. Nachsehen, ob alles ruhig ist. Du weißt schon.«
»Das werde ich sehr gerne tun.« Er wusste alles über meine Flugabenteuer. Die Winternächte waren für diese Aktivität perfekt, zumindest dann, wenn der Wind nicht zu rau war. Das kalte Wetter trieb die Menschen in die Häuser und sorgte dafür, dass sie dort blieben, was mir eine beträchtliche Freiheit gab, den weiten Himmel zu genießen, ohne Angst zu haben, gesehen zu werden. Mehr als einmal ließ ich mich den ganzen Weg nach Glenbriar treiben, um in The Oak unter Leuten zu sein oder
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