Der Engel Der Kurie
Jakob nicht antrafen; Giuseppe beruhigte sie aber mit seiner Versicherung, erst gestern nachmittag habe der Tedesco bei ihm einen Rotwein getrunken. Sie sollten doch in der Sapienza nach dem Mönch suchen, meinte der Wirt hilfsbereit, denn der Tedesco sei ein Doctor Iuris und halte Lektionen an der Universität.
Sofort machten sich die drei auf den Weg hinüber zum Palazzo della Sapienza. Das Gebäude selbst war wenig prachtvoll und harrte dringend einer Renovierung, beeindruckte Serena jedoch mit seiner Vielzahl von kleinen, verschachtelten Innenhöfen und einem Gewirr von Treppen und Fluren. Sie kamen sich ziemlich verloren vor und waren zu ängstlich, jemanden nach dem Weg zu fragen. Doch der Zufall kam Serena zu Hilfe.
Aus einer Tür traten einige junge Männer heraus und plapperten wie befreit über die hinter ihnen liegende Stunde; zu ihnen gehörte einer, den sie vom Sehen her kannte, denn er hatte vor nicht allzu langer Zeit sowohl ihrer Tante als auch jener Antonia, für die sich der Dominikaner interessiert hatte, den Hof gemacht. Vor jemandem, der zu einer Puttana ging, kannte Serena keine Scheu, und so ging sie zu ihm hin und fragte ihn, ob er wisse, wo der deutsche Dominikanermönch zu finden sei.
Die Scholaren lachten spöttisch, als einer gegen Serena mit der Bemerkung stichelte, ob kleine Mädchen nun auch schon studieren wollten, statt auf den geeigneten Mann zu warten, um ihn zu erfreuen. Doch Serena ließ sich nicht beirren. Starr blickte sie den Studenten an, den sie als Verehrer ihrer Tante kannte. Er fühlte sich offensichtlich nicht sehr wohl in seiner Haut, aber zu Serenas Überraschung gab er sich einen Ruck und sagte, sie habe Glück und er werde sie zu dem Doktor bringen, was die anderen Scholaren zu deftigen Kommentaren reizte.
Wenige Minuten später standen sie in einem finsteren Flur vor einer Holztür. Der Student klopfte vorsichtig an. Kurz darauf wurde die Tür geöffnet, und zum Vorschein kam der deutsche Dominikaner. Verblüfft blickte er in die vier Gesichter vor ihm.
»Was führt dich hierher, lieber Flavio Farnese?« Jakob grüßte zunächst seinen Scholaren und erinnerte sich plötzlich an jenes Fest, das den Anfang seiner eigentlichen Verstrickung in die Geschichte der Hurenmorde bildete.
Flavio brauchte einen Moment, ehe er antwortete. »Die drei haben mich nach Euch gefragt, und daher bot ich mich an, ihnen den Weg zu weisen.« Er wollte sich schon wieder abwenden, als ihm noch etwas einfiel. »Mein Vater läßt Euch im übrigen grüßen. Er fragte, ob Ihr ihn nicht bald wieder einmal aufsuchen wollt.«
»Sag ihm, ich werde bei nächster Gelegenheit kommen.«
Erst als der Student am Ende des Flurs verschwunden war, winkte Jakob die Kinder in seine Schreibstube herein und schloß hinter ihnen die Tür.
»Was führt dich zu mir, Serena? Woher kennst du Flavio Farnese? Und wer sind deine Begleiter?«
»Das da ist Filippo, und hier ist mein besonderer Freund Cesare«, stellte Serena ihre Freunde vor. »Wir brauchen Eure Hilfe. Zwei Freunde von uns sind in die Casa Santa verschleppt worden.«
Jakob wies sie an, sich auf die an der Wand stehende Holzbank zu setzen, und nahm seinerseits ihnen gegenüber auf einem Hocker Platz. Dann bat er sie, ihm der Reihe nach alles zu berichten. Vom ersten Tag an, als sie Bibiana vermißte, berichtete Serena über alles, was ihr und ihren Freunden widerfahren war, nichts ließ sie aus, und da, wo sie etwas vergessen hatte, sprang Cesare ergänzend ein. Für Jakob rundete sich allmählich das Bild, das er von Trippa hatte. Ebenso bemerkenswert fand er den Hinweis auf die Bekanntschaft Flavios mit Bibiana und Antonia. Wenn Ambrogio tatsächlich seinem Sohn die Auswahl der Puttani für sein Fest überlassen hat, dann wollte er vermeiden, daß irgendein Mezzani Kenntnis über die Huren hatte. Ein Beweis mehr, dachte Jakob, daß Ambrogio auf jenem Fest alles, was mit ihm zu tun hat, genau geplant hatte.
Obschon er selbst beunruhigt war, versuchte Jakob, Serena ihre Angst zu nehmen. Er überlegte, mit wem er über die gefangenen Kinder sprechen könnte, ohne sich selbst verdächtig zu machen. Von allen, die er anfangs noch für Verbündete gehalten hatte, mußte er Übles befürchten. Trippa spielte ebenso ein doppeltes Spiel wie Ambrogio Farnese, und Frangipane blieb Jakob trotz einiger eindrucksvoller Gespräche, die sie in den zurückliegenden zwei Wochen geführt hatten, wenig faßbar; eigentlich war ihm der Bischof richtiggehend
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