Der Engel Der Kurie
unheimlich, denn hinter seiner freundlichen Offenheit verbarg sich eine tiefe Verschlossenheit. Nein, mit keinem dieser drei durfte er über Luigi und Massimiliano sprechen. Blieb nur Claudia. Sie hatte versprochen, alles zu tun, was helfen könnte, den Mörder ihrer Schwester zu finden; und sie hatte Zugang zu Casale.
Jakob erhob sich. »Ihr müßt in den nächsten Tagen besonders auf euch aufpassen. Am besten laßt ihr euch nicht mehr im Borgo blicken. Habt ihr«, fragte er Cesare und Filippo, »in der Stadt einen sicheren Unterschlupf?«
»Mit meinen Freunden habe ich vor einigen Tagen die Baustelle am alten Zirkus Flaminius aufgetan, wo die Crescenzi anfangen, die Wohnhäuser abzureißen und einen Palazzo aufzubauen; in einem Teil der früheren Häuser wohnen die Bauarbeiter, und da gibt es im Keller genug Platz für uns.«
Jakob nickte. »Du gehst mit Filippo dorthin und wartest, bis wir euch abholen oder Bescheid geben. Einverstanden?«
»Und was macht ihr?«
»Ich gehe mit Serena zu einer Freundin, von der ich annehme, daß sie uns weiterhelfen kann; wir würden uns verdächtig machen, kämen wir zu viert. Außerdem ist es nicht gut, wenn man mich mit euch in der Stadt sieht.«
Die Jungen nickten und verließen das Schreibzimmer. Jakob ordnete rasch seine Papiere – er arbeitete an der zweiten Fassung seines Rechtsgutachtens über die erbrechtliche Angelegenheit des Dominikanerordens – und bat Serena, sich zu Marcina auf den Weg zu machen und dort im Treppenhaus auf ihn zu warten; er würde einige Minuten später eintreffen.
Dann reichte er ihr die Hand. Sie schlug ein und blickte ihn unverwandt an.
Seltsam, dachte Jakob, ich fühle so etwas wie Stolz in meiner Brust, daß ich der Kupplerin fünf Scudi für das Versprechen in die Hand gedrückt habe, Serena und Giovanni bis Januar zu versorgen. Den größten Teil des Garilliatischen Darlehens hatte er in seiner Zelle in einem Mauerversteck untergebracht; einer seiner Vorgänger im Collegio Teutonico hatte einen Ziegel gelockert, herausgezogen und etwas ausgeschlagen, so daß ein Hohlraum entstanden war, in welchen ein Seidensäckchen paßte. Einen Betrag von dreißig Goldscudi hatte er dagegen in den unteren Saum seiner Kutte eingenäht und beschlossen, diesen Betrag als eiserne Reserve bei sich zu behalten und ihn Garilliati keinesfalls zurückzugeben.
Bisher hatte Jakob keine Gelegenheit gehabt, die Scudi für einen Mezzani auszugeben; Garilliatis Empfehlung, es bei Trippa zu versuchen, wollte er nicht befolgen, und bei Claudia und Frangipane konnte und mußte er nicht mehr Komödie spielen; erst heute abend, auf dem Fest des Chigi in der Villa in Trastevere, auf deren Gestaltung Baldassare so stolz war, würde er etliche Scudi benötigen, um sich am Glücksspiel zu beteiligen. Die ganze Kurie sprach von Chigis Fest, und manche munkelten gar, der Papst höchstpersönlich würde erscheinen, um den reichen Bankier zu ehren.
»Geh endlich«, wandte er sich an Serena. »Nimm den kürzesten Weg und trödele nicht. Ich breche in wenigen Minuten auf. – Und paß auf, daß dir niemand folgt; wir müssen vorsichtig sein.«
Serena nickte und schlüpfte zur Tür hinaus. Jakob lauschte ihren Schritten nach; er mochte dieses Mädchen, und wenn es ihm auch nur gelang, ihre Seele zu retten, hatte er schon etwas erreicht. Als ihre Schritte verhallt waren, trat er auf den finsteren Flur hinaus und schloß das Schreibzimmer hinter sich ab. Die Worte des Mörders, die die Kinder belauscht haben wollten, gingen ihm durch den Kopf, diese Frage, warum seine Zeichen nicht erkannt wurden und ob es Gottes Ratschluß sei, ihn ein neuerliches Zeichen setzen zu lassen. War der Mörder ein Getriebener, der gar nicht anders handeln konnte? Oder befriedigte er doch nur seine Lust, indem er Huren quälte und tötete? Möglicherweise war aber auch ein ganz anderes Motiv im Spiel.
Eilig schritt Jakob auf die Kirche Sant' Andrea delle Valle zu, in der die Sarkophage der beiden Piccolomini-Päpste ruht. Dann erreichte er ein Ende der Via Sudario und blickte unwillkürlich hinein. Die Treppe, die zu Lydias Freudenhaus führte, lag verlassen da. Rasch lief Jakob daraufhin in die anliegende Gasse, um auf die Rückseite des Häuserkomplexes zu gelangen. Mit jedem Schritt, der ihn näher zu Claudia brachte, schlug sein Herz heftiger.
Mit einem tiefen Gefühl der Vorfreude nahm er den rostigen Klopfer und schlug ihn gegen das Holz.
Marcina öffnete so rasch, als hätte sie
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