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Der Engel mit den Eisaugen

Der Engel mit den Eisaugen

Titel: Der Engel mit den Eisaugen
Autoren: Mario Douglas & Spezi Preston , Mario Spezi
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fügte der Polizeifunktionär Profazio hinzu und vergaß nicht zu erwähnen, dass »wir im Moment nicht mehr sagen können, als dass alle drei an der Tat beteiligt sind und gemeinsam die Verantwortung dafür übernehmen müssen. Die junge Meredith war moralisch unbescholten. Spuren von Drogen oder Alkohol sind bei ihr nicht gefunden worden. Sie war ein Opfer und fertig.«
    Die unbescholtene Mez – und es gibt keinen Grund, an ihrer Unbescholtenheit zu zweifeln –, das Opfer also, steht einer Amanda gegenüber, die Alkohol trinkt, Joints raucht, »wilden Sex« hat und darüber hinaus noch Räder schlägt sowie Spagate und unangebrachte »Bewegungen« macht. Vier Tage Ermittlungsarbeit haben die detektivische Intuition der ersten Stunde bestätigt, als die Polizei davon ausging, das Fenster sei nur zur Täuschung eingeschlagen worden, und die Verletzung, an der die Engländerin gestorben war, sei »genau die Art Schnitt am Hals, der einen irgendwie gleich an den Islam denken lässt«.
    Amanda, immer wieder Amanda und nur Amanda. Amanda und Mez, das Böse und das Gute, das Laster und die Tugend, die Hexe und das unbescholtene Mädchen. Eingerahmt von diabolischen Riten, unschuldigem Blut, das dem Teufel dargebracht wurde, und dem orgiastischen Sex eines Hexensabbats.
    Am Tatort selbst wies nichts auf eine solche Rekonstruktion hin. Stattdessen konnte man dort deutlich erkennen, was sich wirklich zugetragen hatte und wie der Name des Schuldigen lautete.

[home]
    Kapitel 4
    A ls würde sie von einer Kamera in den Händen eines Altmeisters des Horrorfilms gefilmt, näherte sich die junge, ahnungslose Protagonistin Amanda Knox am Morgen des 2 . November, am Tag der Toten, dem Ort des Verbrechens, ohne zu ahnen, welches Grauen sie erwartete. Sie kehrte von Raffaeles Wohnung am Corso Garibaldi, wo sie die Nacht verbracht hatte, zu dem abgelegenen Landhaus in der Via della Pergola zurück, weil sie sich lieber dort duschen wollte. Außerdem befanden sich all ihre Kleider dort. Um ungefähr 10.30  Uhr traf sie ein. Wie es die allwissende, unsichtbare Regie vorsah, deuteten sofort erste Anzeichen auf einen ungewöhnlichen Vorfall hin: Die Tür des Hauses stand sperrangelweit offen. Doch Amanda beunruhigte das nicht weiter. »Vielleicht«, dachte sie, »ist eine von meinen Mitbewohnerinnen kurz rausgegangen.«
    Dennoch schloss sie lieber die Tür. Nun befand sie sich also im Haus, nur eine wenige Zentimeter dicke Holztür trennte sie von dem schrecklichen Mord.
    Schon im Flur hinter der Eingangstür konnte sie Meredith Kerchers Zimmer auf der gegenüberliegenden Seite sehen. Amanda rief nach der Freundin, bekam jedoch keine Antwort. Die Tür war abgeschlossen. »Vielleicht schläft sie noch«, dachte die Amerikanerin.
    Amandas Zimmer befand sich weiter links, neben dem von Mez. Rechts davon, ganz am Ende des Korridors, gab es ein kleines Bad. Wäre sie gleich nach links gegangen, hätte die Studentin aus Seattle das Wohnzimmer betreten, das die jungen Frauen gemeinsam benutzten. Auf der gegenüberliegenden Seite befanden sich ihr eigenes Zimmer, das von Mez, das Zimmer von Filomena Romanelli und, direkt gegenüber, das von Laura Mezzetti. Auf der gleichen Seite lag schließlich noch das größere Bad.
    Die italienischen Mitbewohnerinnen, selbst keine Studentinnen, hatten wenig mit den beiden anderen zu tun. Sie hatten die Nacht nicht hier im Haus verbracht. Filomena war zu ihrem Freund Marco gefahren und Laura nach Rom gereist. Meredith musste demnach die ganze Nacht allein gewesen sein.
    Wenn man das Haus in der Via della Pergola betrat, bekam man leicht den Eindruck, die Wohnung müsse ebenerdig liegen, doch in Wirklichkeit handelte es sich um den ersten Stock. Da das Haus seitlich zu einer kleinen Anhöhe gebaut worden war, gab es darunter noch ein Appartement mit separatem Eingang. Im Untergeschoss wohnten drei junge Männer, allesamt italienische Studenten, die an diesem Tag ebenfalls außer Haus waren. Sie hatten die Feiertage genutzt, um ihre Familien zu besuchen.
    Amanda nahm eine rasche Dusche. Als sie sich die Füße abtrocknete, bemerkte sie ein paar Blutflecke am Rand des Waschbeckens. Die alarmierenden Auffälligkeiten häuften sich, und dennoch konnten sie den Beatles-Song, den die Amerikanerin vor sich hin trällerte, nur kurz unterbrechen. Für einen Moment dachte sie, das Blut sei ihr von den Ohren getropft, die sie sich gerade erst hatte piercen lassen. Doch die Tropfen waren zu groß und außerdem bereits
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