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Der Engel mit den Eisaugen

Der Engel mit den Eisaugen

Titel: Der Engel mit den Eisaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Douglas & Spezi Preston , Mario Spezi
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Schuldzuweisungen um sich warf. Und Mignini hatte ihn schon parat: Rudy Guedé.
    Der Ivorer wurde nicht so sehr als Angeklagter, sondern immer als ein Zeuge vernommen. Und er wusste sehr genau, was man von ihm wollte. Er passte sich mit Leichtigkeit an und spielte seine Rolle gut. Dann, als sein Auftritt beendet war, wurde sein Verfahren von dem der anderen beiden Angeklagten, Amanda und Raffaele, abgetrennt und separat weitergeführt. Gemessen an der Schwere des Verbrechens bezahlte also der Mann, der als Einziger für Merediths Tod verantwortlich war, am Ende einen lächerlich geringen Preis.
    Das Verhör, das mehr als alle anderen deutlich machte, welche Rolle Guedé zugedacht war, fand am 26 . März 2008 im Carcere di Capanne statt.

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    Kapitel 7
    D as Verhör begann um 10.35  Uhr. Es wurde aufgezeichnet und dann auf 115  Seiten transkribiert. Außer Rudy Guedé, dem die Anwälte Nicodemo Gentile und Walter Biscotti vom Gerichtshof Perugia Rechtsbeistand leisteten, waren noch Staatsanwalt Giuliano Mignini, Giacinto Profazio, der Chef des Mobilen Einsatzkommandos, seine Stellvertreterin Lorena Zugarini und die Kriminalkommissarin Monica Napoleoni zugegen. Napoleoni, eine Vertraute des Staatsanwalts, ist die Tochter von Inspektor Luigi Napoleoni, der sich in Perugia während seiner Ermittlungen zum Fall Narducci mit dem »doppelten Leichnam« im Trasimener See einen Namen gemacht hatte – jenem Fall, der aus Sicht der Staatsanwaltschaft in enger Verbindung mit den Verbrechen des Monsters von Florenz stand. Napoleoni, in den Mignini großes Vertrauen setzte, war 1985 , auf Geheiß von wem auch immer, nach Florenz gereist, um die Wohnung ausfindig zu machen, in der Narducci wohnte und angeblich Körperteile ermordeter Mädchen im Kühlschrank verwahrte. Napoleoni fand weder das eine noch das andere.
    Guedés Verhör endete um 14.00  Uhr und wurde nur einmal für knapp zehn Minuten unterbrochen. Für die seltsame Unterbrechung wurde im Protokoll keine Begründung genannt, sie lässt sich jedoch aus den aufgezeichneten Fragen und Antworten ableiten.
    Guedé hatte bereits erklärt, sich im Bad aufgehalten zu haben, als er Merediths Schrei gehört habe. Dann fügte er noch etwas hinzu, was für die Anklage sehr wichtig war: Als er ins Bad gegangen sei, habe er trotz seines eingeschalteten iPod die Türklingel gehört und mitbekommen, wie eine Frau und Meredith auf Englisch scherzten.
    Das klingt nun doch eher unwahrscheinlich, denn das Bad hatte einen Vorraum, und man würde eigentlich davon ausgehen, dass der junge Ivorer die Tür hinter sich geschlossen hatte. Es scheint also fraglich, dass er von der Toilette aus etwas gehört haben könnte. Und damit wurde die Zeugenaussage, die Amanda festnageln sollte, letztlich sehr leicht angreifbar.
    Dieser Makel wurde mit einer Reihe Fragen korrigiert. Fragen, die sich eher wie Empfehlungen anhörten.
    Hier ihre wortgetreue Übertragung:
    »Mignini: Du warst also im Bad, als es an der Tür geläutet hat …
    Guedé: Ja, ich hörte, wie es klingelte.
    M.: Aber du warst doch im Bad?
    G.: Ich war gerade dabei, es zu betreten.
    M.: Es hat einen Vorraum … Warst du in dem Vorraum?
    G.: Ja.
    M.: Und die Tür war offen?
    G.: Sie war noch offen.
    M.: Ich verstehe, du gingst also gerade ins Bad, und die Tür war noch offen, als du gehört hast, wie es klingelte.
    G.: Ja.«
    Dieser Dialog ist ein hervorragendes Beispiel für das gesamte Verhör: Mignini formuliert die Antworten, die sich die Anklage erhofft, als Fragen. Ab und an zögert Guedé, scheint sich nicht sicher, ob er die Frage richtig verstanden hat, und versucht, Zeit zu gewinnen. Man greift ihm mit einer weiteren Frage unter die Arme, und dies so lange, bis sich der Befrager praktisch selbst die Antwort gibt. Es folgt der überaus heikle Moment, in dem Rudy Guedé aussagen soll, ob die weibliche Stimme der Person, die da an der Tür geklingelt hatte, Amanda gehörte oder nicht.
    »M.: Und die weibliche Stimme …
    G.: Es scheint mir die von Amanda Knox gewesen zu sein …
    M.: Nun, ich hätte gerne … So wie du ›mir scheint‹ sagst, scheint es dir nicht nur so, sondern du bist dir fast sicher, denn du sagst es auf eine Art, wie nur jemand ›mir scheint‹ sagt, der … Es ist eine Bestätigung, nicht wahr? Es kommt mir wie eine recht eindeutige Bestätigung vor, die du uns da gibst, und du nickst … ja oder nein, Rudy? Hast du den Eindruck, dass es wirklich sie war?
    G.: Ja.«
    So also wurde Amanda

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