Der Engel mit den Eisaugen
nichts zu erklären sind. Sicher eine Verunreinigung …«
Diese harschen, aber sehr detaillierten Attacken gegen die Staatsanwaltschaft machten Frank Sfarzo nicht nur unter Amanda-Knox-Anhängern, sondern auch unter den Journalisten bekannt, die den Fall verfolgten, ohne Stellung zu beziehen. Der Blogger veröffentlichte einfach alles, auch Dinge, die gegen Amanda sprachen.
Frank schien auf jedes noch so kleine Detail Zugriff zu haben. Seine Berichte waren klar und in hervorragendem Englisch geschrieben. In einem Artikel mit dem Titel »A Tribute to Frank Sfarzo« schrieb ein amerikanischer Journalist: »Du brauchst ein Foto von dem Messer? Dann ist Frank dein Mann. Einen Computerausdruck von Merediths DNA ? Klicke hier.«
Amerikanische Journalisten, die von ihren Sendern und Zeitungen nach Perugia geschickt wurden, hatten inzwischen eine sichere Anlaufstelle. Auch die, die nicht nach Italien reisten, klickten unweigerlich auf
perugia-shock,
bevor sie einen Artikel verfassten. In der italienischen Medienlandschaft, die fast ausschließlich von Vorverurteilungen und Anschuldigungen gegen Amanda geprägt war, nahm sich der kleine Blogger wie ein Don Quijote aus, der im Internet allein gegen Windmühlen kämpfte.
Natürlich wurde der Blog auch auf dem Polizeipräsidium und bei der Staatsanwaltschaft von Perugia angeklickt, wo man ihn sich übersetzen ließ.
Die Polizisten, mit denen Frank inzwischen täglichen Kontakt pflegte, schlugen auf einmal harsche Töne an und begannen, ihn äußerst unfreundlich zu behandeln. Eines Tages, als er gerade den Gerichtssaal verlassen hatte, rempelten sie ihn an und schlugen sogar auf ihn ein. »Du gehst uns auf den Sack!«, schrien sie.
Auch als im Dezember 2008 der Prozess gegen Amanda Knox und Raffaele Sollecito begann, behielt ihn das Mobile Einsatzkommando im Visier. Oft hinderte man ihn am Betreten des Gerichtssaals und beschlagnahmte sein Handy, um es auf seine Kontakte und SMS hin zu untersuchen. Unter den gleichgültigen Augen des Richters schlugen ihm im Gerichtssaal von der gegenüberliegenden Seite Beschimpfungen entgegen, und während er sich Notizen machte, wurde er kontrolliert.
Giuliano Mignini, der sich gegenüber Frank bislang von seiner liebenswürdigen Seite gezeigt und ihn wie jeden anderen Journalisten in seinem Büro empfangen hatte, änderte seinen freundlichen und manchmal fast vertraulichen Tonfall. Ab diesem Zeitpunkt beschlich Frank der Verdacht, dass der Staatsanwalt ihm nur deshalb so viel Aufmerksamkeit gewidmet hatte, weil er Neuigkeiten in Erfahrung bringen wollte, statt selbst mit Informationen herauszurücken.
Als Mignini von ihren Vätern sprach, die beide viel zu früh und zu jung gestorben waren, oder auch davon, dass er sonntags gerne zum Schießen ging – aber nicht mit einer Druckluftpistole, sondern mit einer echten –, hatte er eine fast freundschaftliche Atmosphäre zwischen ihnen geschaffen. Andererseits, überlegte der Blogger, hatte Mignini immer wieder Fragen in das Gespräch eingestreut, um selbst an Informationen zu gelangen. In sehr höflichem Tonfall, als würde er eine völlig nebensächliche Unterhaltung führen, hatte der Staatsanwalt gefragt: »Waren Sie noch nie in Amerika? Wissen Sie, wo Douglas Preston wohnt? Haben Sie ihn schon öfter getroffen?«
Frank begann sich zu fragen, was Mignini wirklich von ihm dachte. Ihm fiel ein, wie er dem Staatsanwalt vor einiger Zeit erzählt hatte, Lumumba sei ein Freund von ihm, und wie Mignini daraufhin nach Luft gerungen hatte. Sfarzo gelangte zu der Überzeugung, dass der Staatsanwalt seine Freundschaft mit dem Kongolesen, seinen Blog, in dem er für Amandas Unschuld plädierte, und seine Kontakte, darunter auch die von Preston und mir, keineswegs unbefangen betrachtete.
Daraus folgerte er: »Der Typ macht wieder genau das Gleiche wie im Fall Narducci: Für ihn sind alle in ein einziges Komplott verstrickt, alle schuldig. Ich eingeschlossen.«
Genau deshalb gefiel ihm die Stimme überhaupt nicht, die am 28 . September um 15.30 Uhr barsch ins Telefon blaffte: »Hier spricht die Polizei.« In seinem Kopf schrillte eine Alarmglocke: Er musste vorsichtig sein.
»Hör zu, Sfarzo«, sagte die Stimme, »du musst zu uns aufs Präsidium kommen. Deine Mutter ist hier. Sie wollte ins Haus, hat aber keinen Schlüssel.«
Der Vorwand war so fragwürdig, wenn nicht gar absurd, dass Sfarzo seine Zweifel bestätigt sah. Es war vollkommen klar, dass seine Mutter – die sich, wie
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