Der Engel mit den Eisaugen

gesucht. In Wirklichkeit hatte jemand das Datum gelöscht. Der Eintrag war von 2006 , vom vorangegangenen Jahr.
    Schon wieder ein Fehler?
    Und sind wir uns sicher, dass derjenige, der Foxy Knoxy mit ›Evil Fox‹ übersetzt hat, wirklich nur schlecht Englisch konnte? Oder hat ihm vielleicht jemand zu dieser Formulierung geraten?«
    Öl ins Feuer, jeden Tag, und den Gestank des Brandes roch man in Seattle und in ganz Amerika.
    Der Sender CBS sendete einen pointierten Beitrag, in dem ein Journalist seinen Zuschauern einen fingierten Test präsentierte: »Ein freischaffender, mit bescheidenen Mitteln ausgestatteter Journalist befindet sich in seinem Zuhause, als plötzlich fünf Polizisten in die Wohnung eindringen. Es liegt kein Durchsuchungsbefehl vor. Der Journalist wird brutal zusammengeschlagen. Dann zerrt man ihn in eine psychiatrische Klinik, wo die Polizei verlangt, man möge ihn aufgrund seiner Berichterstattung zu einem Fall, der viel Aufsehen erregt hat, für unzurechnungsfähig erklären.
    Wo hat sich diese Begebenheit zugetragen?
    Libyen
Syrien
China
Mubaraks Ägypten.«
     
    Sarkastisch schloss der Beitrag: »An keinem dieser Orte, sondern vergangenen September in Italien. Der Journalist heißt Frank Sfarzo und lebt in Perugia.«
    Am Morgen des 10 . Mai 2011 verschwand Franks Blog perugia-shock.blogspot.com aus dem Netz. Der Krieg war wieder aufgeflammt, und diesmal hatte jemand versucht, »keine Gefangenen zu machen«, sondern Frank lieber gleich den Todesstoß zu versetzen.
    Der Protest der Amerikaner ließ nicht lange auf sich warten. Zuerst reagierten die Zeitungen, die Fernsehstationen, die Blogs und gleich darauf das Committee to Protect Journalists: »Das CPJ sorgt sich besonders um die Wirkung, die derartige repressive Maßnahmen der Behörden in Perugia auf Lokalreporter und freischaffende Internetblogger haben können, die ohne die Unterstützung und den Rückhalt großer Zeitungen auskommen müssen. Diese Personen sind verwundbar und in ihrer Arbeit behördlichen Repressalien ausgeliefert – Gerichtsverfahren und körperliche Gewalt eingeschlossen.«
    In ihrem Brief an den italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano schreibt die renommierte Organisation weiter: »Unter den Fällen, welche die Aufmerksamkeit des CPJ erregt haben, sticht einer aufgrund der widerrechtlichen Handlungen von Mitgliedern des Mobilen Einsatzkommandos ganz besonders hervor. Es ging darum, die Kritik an den behördlichen Ermittlungen im Mordfall Meredith Kercher zu bestrafen … Sfarzo, wohnhaft in Perugia, hatte sich von Anfang an für den Fall interessiert und in seinem Blog Neuigkeiten und Kommentare zu der Angelegenheit veröffentlicht. Regelmäßig kritisierte Sfarzo die für sein Gefühl lückenhafte Untersuchung im Fall Kercher und griff gelegentlich zu scharfen Formulierungen, um seinen Standpunkt deutlich zu machen.«
    Auch der mit Sfarzo »rivalisierende« amerikanische Blog
Injustice in Perugia
schaltete sich ein. Franks Blog wurde umgehend wiederbelebt, indem man den Bindestrich zwischen
perugia
und
shock
einfach wegließ.
    »Man darf nicht zulassen«, hieß es auf der Seite, »dass Frank Sfarzo von einem Staatsanwalt zum Schweigen gebracht wird, der jeden angreift, der nicht seiner Meinung ist. Was zu viel ist, ist zu viel!«
    Unmittelbar darauf erklärte Frank in einem Telefoninterview mit dem
West Seattle Herald:
»Google hat mich via E-Mail informiert. Sie nannten mir keinen Grund, sagten aber, dass es sich um eine richterliche Anordnung handle.«
    Es war nicht sofort klar, was passiert war oder wer die Abschaltung des Blogs beantragt hatte. Frank wandte sich an Google und erhielt als Antwort ein Dokument, aus dem hervorging, dass es sich bei dem Antragsteller um Mignini handelte.
    Der Staatsanwalt hatte sich von einigen Bemerkungen beleidigt gefühlt und Sfarzo wegen Rufmords verklagt. Damit sich das Vergehen nicht wiederholen konnte, hatte er die vorsorgliche Löschung von
perugia-shock
beantragt.
    In dem als Rufmord bezeichneten Satz hatte Frank lediglich geäußert, viele von Migninis Zeugen seien Landstreicher und Drogenabhängige und würden regelrecht rekrutiert. Doch der Staatsanwalt war der Ansicht, der Blogger würde ihn mit diesen Leuten vergleichen.
    CNN merkte an,
perugia-shock
sei genau 48  Stunden nach der Ausstrahlung der langen, in Perugia abgedrehten Dokumentation
Murder Abroad: The Amanda Knox Story
abgeschaltet worden, in der Mignini von dem Journalisten Drew Griffin