Der Engel mit den Eisaugen
habe ich sämtliche Beweise, die während dieses Prozesses erbracht wurden, überprüft, und nichts in dem Mordfall deutet auf Amanda und Raffaele als Täter hin.
Einige Beweisstücke dieses Falls habe ich Polizeiermittlern übergeben, ehemaligen oder noch aktiven FBI -Agenten (oft ohne die Identität der Verdächtigen oder den Tatort zu offenbaren). Meine Quellen haben die Beweislage des Falls studiert, und sie verstehen nicht, wie Raffaele und Amanda für schuldig befunden und verurteilt werden konnten.«
Moore hatte sich also vorgenommen, die Beweise der Spurensicherung zu überprüfen, und war dabei zu folgendem Ergebnis gekommen:
»In der Presse hieß es, Amanda und Raffaele hätten Bleichmittel benutzt, um den Tatort zu säubern, und es sei eine Quittung zu diesem Einkauf gefunden worden.
Fakt ist: Kein einziger Beweis bezüglich des Einkaufs oder Gebrauchs eines Bleichmittels ist je erbracht worden. Meine Untersuchung, die auf den am Tatort aufgenommenen Videos beruht, zeigt, dass nie ein Bleichmittel oder irgendeine andere Substanz benutzt wurde, um den Ort des Verbrechens zu säubern.
Es hieß, Amanda habe mit einem Messer auf Meredith eingestochen, das sie in Raffaeles Küche gefunden habe.
Fakt ist: Die Experten, die der Staatsanwalt heranzieht, haben selbst erklärt, das Messer, das laut dem Chefankläger während der Tat benutzt worden sein soll, könne Meredith höchstens eine der vielen Verletzungen zugefügt haben, die sie erlitten hat. Es ist schlicht zu groß, um dieselben Verletzungen zu verursachen wie das eigentliche Messer, das während der Tat verwendet wurde.
Amanda, Raffaele und Rudy sollen Merediths mutmaßliche Mörder sein. Sie haben, so wird behauptet, das Verbrechen gemeinsam in deren Zimmer begangen.
Fakt ist: Die Beweise, die am Tatort gefunden wurden, schließen aus, dass Amanda zum Zeitpunkt des Mordes in dem Zimmer gewesen ist. Alle Indizien weisen auf nur eine Person in dem Zimmer hin: Guedé. Man hat einen BH -Verschluss, der sechs Wochen nach der Tat beschlagnahmt wurde, als Beweis dafür herangezogen, dass sich Raffaele in Merediths Zimmer aufgehalten habe. Das Beweisstück ist so suspekt, dass es als nicht glaubwürdig angesehen werden muss.«
Am Ende seines brisanten Aufrufs legte der Ex- FBI -Agent, wahrscheinlich ohne es zu merken, den Finger auf den wunden Punkt der Affäre, denn die versteckten Mechanismen der italienischen Justiz konnte er ja nicht kennen. Nie wäre er darauf gekommen zu vermuten, dass ein paar zynische Gerichtsreporter den Verdacht geäußert hatten, einigen wäre es durchaus recht, wenn Amanda und Raffaele in erster Instanz verurteilt und im Berufungsverfahren schließlich freigesprochen würden. So würde das Bild der Staatsanwaltschaft nicht beschädigt werden, und die Öffentlichkeit würde ihr Vertrauen in selbige nicht verlieren. Nie wäre er darauf gekommen zu vermuten, ein so knallhartes, berechnendes Spiel würde auf dem Rücken dieser beiden unschuldigen jungen Leute ausgetragen werden.
»Während des Prozesses«, schrieb Moore, »hat der Staatsanwalt die Anträge der Verteidiger immer wieder abgelehnt. Letztere plädierten für eine Untersuchung der DNA -Spuren auf dem Messer und dem BH -Verschluss sowie für eine Untersuchung der Methoden, die diese Spuren zutage gefördert haben.
Fakt ist: Alle Anträge wurden ohne Angabe triftiger Gründe abgelehnt. Also beantragte die Verteidigung, eine dritte, unabhängige Partei solle die Untersuchungen durchführen. Und wieder lehnte der Staatsanwalt ab. Aber wenn der DNA -Nachweis doch so hieb- und stichfest ist, weshalb verweigert der Chefankläger dann eine Kontrolle durch Experten, die seine Theorie untermauern würde?
Der einzige Grund, aus dem ein Staatsanwalt neue Untersuchungen von Beweisen unterbindet«, schließt Moore, »ist der, dass die Beweise nicht stichhaltig sind.«
Der Schuldspruch des ersten Prozesses, in dem eine neue Untersuchung ebenjener wissenschaftlichen Beweise der Spurensicherung verweigert wurde, erging nach vierzehnstündiger nichtöffentlicher Sitzung am 5 . Dezember 2009 : 26 Jahre für Amanda und 25 für Raffaele.
Bremner und Moore hatten recht, doch Amanda und Raffaele mussten noch bis zum 3 . Oktober 2011 warten, bis das erkannt wurde und sich die schweren Metalltüren ihrer Zellen öffneten.
Tatsächlich gestatteten erst die Richter des Berufungsverfahrens, dass ein neues, unabhängiges Gutachten erstellt würde, mit dem man hochkarätige Experten
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