Der Engel mit den Eisaugen
Experiment. Ich gab »Amanda Knox« bei Google ein und erhielt 4 , 3 Millionen Treffer. Dann probierte ich es mit »Amanda Knox« und »bitch« (Schlampe) – 1 , 3 Millionen Treffer. »Amanda Knox« und »pervert« (Perverse) brachte 800000 Treffer, und ihr Name zusammen mit »Sex« ganze 1 , 5 Millionen. Bei »Amanda Knox« und »innocent« (unschuldig) waren es hingegen 660000 .
Hier eine mehr oder weniger zufällige Auswahl an Kommentaren nach kurzer Internetsuche:
»Sie ist eine Giftspinne und muss jetzt büßen. Leider hat Italien, wie so viele andere sozialistische EU -Länder, überhaupt kein Rückgrat und keine Todesstrafe mehr. Diese vier Schweine müssen sterben.«
»Ich hoffe, sie erleidet dasselbe Schicksal wie die arme Meredith, und das hoffentlich bald, denn diese dreckige **** hat es verdient. Warum wollt ihr alle, die ihr diese **** unterstützt, nicht die Wahrheit sehen, weil keiner von euch sagen kann, dass er keinen einzigen Zweifel hat, was passiert ist, woran sie beteiligt war. Sie ist SCHULDIG !«
»Ich kann nur hoffen, dass meine Botschaft glasklar rüberkommt. Wenn dieser Prozess vorbei ist und AK schuldig gesprochen wird, hoffe ich, dass ihre Familie einsam und allein auf der Straße endet.«
»Ihre Tochter wird (bei ihrer Geilheit) als knallharte Lesbe aus dem Gefängnis kommen. Ich hoffe, Sie sind tot, ehe es so weit ist, wirklich. Meredith Kercher ist tot, und Sie scheren sich einen Dreck um sie oder ihre Familie. Aber Sie sind die armen Opfer, ja? Schmort in der Hölle.«
»Und Raffaele? Der ist dermaßen pervers, dass man ihn für den Rest seines Lebens wegsperren sollte … Raffaele war genau der Richtige, dass Amanda ihm die sündhafte und so verführerische Bösartigkeit einträufeln konnte, die aus kindischen Faxen und gegenseitiger Masturbation entsteht. Sie wissen nichts von Liebe und Mitgefühl, sie kennen nur die schnelle, perverse Selbstbefriedigung.«
»Es gibt eine ganze Menge Frauen, die sie instinktiv für eine ausgemachte Schwindlerin halten, sie kann keine von uns täuschen, sie ist verdorben bis ins Mark, und wir hoffen, sie verfault im Gefängnis und landet in der Hölle.«
»Die Schlampe soll splitternackt sterben, mit dem Geschmack ihres eigenen Blutes im Mund.«
»Ich hoffe, Knox bleibt im Knast, wo sie vor mir und anderen, die ähnlich denken, sicher ist, denn wenn sie jemals nach Hause kommen sollte, nach Seattle, wird ihr das Gleiche passieren wie ihrem Opfer. Keiner von euch wird mich davon abhalten können. Denkt an das alte chinesische Sprichwort: ›Wer einen Mord plant, sollte zuerst zwei Gräber ausheben.‹« (Per Screengrab aus Joseph Bishops langem Attachment.)
In den ersten zwei Wochen wirkten die meisten der Anti-Amanda-Kommentare wie ziellose, blindwütige Attacken. Im Laufe der Zeit aber entwickelte sich eine Art organisierte Bewegung. Die Anti-Amanda-Blogger schlossen sich zusammen und richteten zwei Websites ein:
Perugia Murder File
(die sich nach Streitigkeiten später aufspaltete, mit den Erweiterungen
.net
und
.org
), und die Website
True Justice for Meredith Kercher.
Nicht alle Blogger, die sich auf diesen Seiten äußerten, entsprachen dem Klischee des Verlierers, der irgendeinen Lebenssinn sucht. Viele wirkten gebildet und intelligent. Sie konnten formulieren, sich gut ausdrücken. Sie waren kompetent. Und sie waren vollkommen fixiert auf Amanda. Die Administratorin von
Perugia Murder File,
Skeptical Bystander (skeptischer Beobachter), postete laut der Statistik in ihrem Profil durchschnittlich sieben Mal täglich etwas über Amanda Knox, und das jeden Tag in den vergangenen fünf Jahren. Der Schöpfer von
True Justice,
Peter Quennell (der einzige Anti-Amanda-Blogger, der seinen richtigen Namen benützt), hat über achthundert Artikel zu dem Fall geschrieben und außerdem mehr als zweitausend Kommentare gepostet. Macht insgesamt rund zwei Millionen Wörter oder mehr. Auch heute, fünf Jahre später, ist auf allen drei Websites noch ziemlich viel los.
Insbesondere die Website
True Justice
wurde zu einer Dokumentationsstelle, zu einem Sammelpunkt der Amanda-Gegner. Sie nahm einen ungeheuren Umfang an und verzeichnete zehn Millionen Aufrufe. Bemerkenswert waren die langen, detaillierten Artikel mit vielen Unterpunkten, Fußnoten, Diagrammen und Fotos, in denen jeder Aspekt des Falles bis ins letzte Detail zerlegt und analysiert wurde. Man fand dort akribische Analysen des Verbrechens, der Gerichtsverfahren, der einzelnen
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