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Der Engel mit den Eisaugen

Der Engel mit den Eisaugen

Titel: Der Engel mit den Eisaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Douglas & Spezi Preston , Mario Spezi
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Journalist durchaus Erfahrung mit negativen Äußerungen hatte sammeln können.
    Am 8 . Februar 2008 postete sie ein Interview mit mir, in dem ich sagte: »Ich bin überzeugt, dass sie unschuldig ist, und ich kann nicht begreifen, warum die Leute sie vorverurteilen, ja geradezu Blut sehen wollen.«
    Es folgte eine Flut von Kommentaren, jetzt gegen mich gerichtet, häufig unverschämte persönliche Attacken und wildeste Unterstellungen. Die Kommentatoren hatten im Internet recherchiert und private Informationen über mich aufgespürt, von denen ich nicht einmal gewusst hatte, dass sie zugänglich waren. Sie schleuderten mir praktisch meine eigene Biographie ins Gesicht, bis zur Unkenntlichkeit verzerrt, garniert mit Zitaten aus negativen Besprechungen meiner Bücher und bösartigen Äußerungen über meine Familie. Sie warfen mir vor, ich hätte sexuelles Interesse an Amanda. Und ich stürzte mich wie der letzte Idiot in die Debatte, postete selbst Kommentare, verteidigte mich, attackierte meine Angreifer und konterte ihre Kritik – was diese Leute zu noch heftigeren Ausbrüchen veranlasste. Ich richtete ein Google-Alert für meinen Namen ein, und schon liefen Benachrichtigungen ein, die es mir ermöglichten, sofort die entsprechenden Attacken irgendwo im Internet aufzurufen. Ich steckte mittendrin in dem Drama, checkte wie besessen täglich viele Male die jeweiligen Stellen im Internet, ärgerte mich über die negativen Kommentare und freute mich über Leute, die sich auf meine Seite stellten. Es versetzte mich in Panik, dass die Unterstellungen, besonders diejenigen sexueller Natur, für alle Zeit im Internet verfügbar bleiben würden. Auch meine Kinder und ungeborenen Enkel würden sie lesen können. Jede einzelne Anschuldigung musste ich kontern, mich massiv zur Wehr setzen, die Dinge richtigstellen. Aber je mehr ich mich wehrte, desto übler wurde ich beschimpft. Ich kam mir vor wie der keltische Sagenheld Cú Chulainn, der das Meer mit seinem Schwert aufzuhalten versucht. Das ging tagelang so, ich wurde schier wahnsinnig dabei.
    Schließlich kam ich wieder zur Vernunft. War ich nicht allmählich schon so verrückt wie diese Leute? Ich ließ es gut sein, fragte mich aber doch: Wer
sind
diese Menschen? Warum investieren so viele Leute, die weder eine Verbindung zum Opfer noch zu den Angeklagten haben, Zeit und Energie dafür, die Bestrafung dieser jungen Frau zu fordern und all jene zu attackieren, die sie verteidigen? Dass Verwandte und Freunde alles tun, um ihre Unschuld zu beweisen, das ist verständlich. Und auch, dass diejenigen, die von ihrer Unschuld überzeugt sind, ein Unrecht beseitigt sehen wollen. Aber warum dieser obsessive Eifer von Dritten, die gar nichts mit ihr zu tun haben? Es schien eine frappierende Diskrepanz zu geben zwischen denjenigen, die Amanda verteidigten, und den anderen, die sie verfolgten. Erstere verhielten sich wie ganz normale Menschen, Letztere zeigten ein Verhalten, das geradezu krankhaft wirkte.
    Was zu einer grundsätzlichen Frage führte, die mich schon seit einiger Zeit beschäftigte: Warum gibt es im Internet so viele Leute, die sich richtig gemein verhalten?
    Auf eine solche Frage erhält man von internetaffinen Menschen meist stereotype Antworten. Schon die Frage sei naiv. Was man denn erwarte? Jedermann wisse doch, dass die Welt voll von traurigen, einsamen und verbitterten Menschen sei, die kein eigenes Leben haben. Das Internet habe solchen Menschen eine Stimme gegeben, den bislang Ohnmächtigen Macht. Diese Menschen fänden nun in ihrem sinnentleerten Leben einen Sinn, indem sie sich im Internet mit Gleichgesinnten zusammentun, mit Verlierern im richtigen Leben, die dort nach Sinn und Erfüllung suchen. Letztlich liege es auch an der Natur des Internets, bekommen wir zur Antwort – das Internet sei eine Wüste, ein Ort, an dem das menschliche Es Amok läuft, ein Tummelplatz für psychisch gestörte Leute, eine Echokammer für die Uninformierten, ein Land der Trolle. Derlei Äußerungen seien eine Art Hintergrundrauschen, das wir am besten nicht beachten sollten. Es habe keine Auswirkung auf die reale Welt.
    All diese Erklärungen mögen zutreffen, doch sie erscheinen unzureichend. Keine ergründet wirklich, warum sich im Internet derart viel Hass entlädt und Menschen mit einer Vehemenz sondergleichen über Fremde herfallen, die ihnen nichts getan haben.

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    Kapitel 2
    A m 28 . November 2012 , als ich an diesem Abschnitt schrieb, machte ich ein kleines

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