Der Engelmörder - Spindler, E: Engelmörder
der Erste, der sich getraut hat, eine solche Behauptung aufzustellen, aber er wird wohl kaum der Letzte sein.“
„Gutes Argument, Detective Riggio. Aber ich würde nicht darauf wetten, dass es wirklich so ist. Sie etwa?“
„Nein, Sir.“
„Lundgren?“
„Chief?“
„Lassen Sie es uns wissen, wenn er sich wieder meldet. Und kümmern Sie sich um die Fangschaltung.“
Sie nickte und griff nach ihrem Handy. „Und was soll ich ihm sagen, wenn er anruft?“
„Alles, was nötig ist, damit er so lange wie möglich in der Leitung bleibt.“
Damit war die Besprechung beendet, und die Gruppe verließ das Büro. Als sie außer Hörweite ihres Vorgesetzten war, beugte sich Riggio zu ihr herüber. „Sieht ja ganz aus, als hätten Sie bekommen, was Sie wollten. Sie sind wieder mit von der Partie.“
„Haben Sie was dagegen?“
„Vergessen Sie nur nicht, wer hier das Sagen hat, Lundgren. Das hier ist nämlich mein Fall.“
„Ich glaube kaum, dass Sie mir eine Gelegenheit geben werden, das zu vergessen, Detective Riggio.“ Die Frau schien etwas erwidern zu wollen, doch Kitt ließ ihr keine Chance. „Wenn Sie mich dann entschuldigen würden. Ich muss mich um eine Fangschaltung kümmern.“
9. KAPITEL
Mittwoch, 8. März 2006
18:40 Uhr
M.C. fürchtete sich vor jedem Mittwochabend, insbesondere vor den Stunden zwischen halb sieben und halb neun – die „Pasta-Zeit“, wie sie sie nannte. Es war die Zeit, wenn sie zusammen mit ihren fünf Geschwistern zum Abendessen bei ihrer Mutter antrat. Dort wurde jeder von ihnen zu allen Aspekten seines Lebens ausgefragt.
M.C. glaubte schon jetzt, die glühenden Kohlen zu spüren, als die sie die Fragen ihrer Mutter empfand. Immerhin war M.C. an diesen Abenden von allen Gängen der, den sich Mama Riggio mit dem größten Genuss vornahm.
Nichts von dem, was M.C. tat, fand die Zustimmung ihrer Mutter – ganz gleich, was es war. Früher hatte sie sich daran gestört, doch inzwischen scherte sie sich nicht mehr darum. Hätte sie so werden wollen, wie es sich ihre Mutter immer gewünscht hatte, dann wäre es sicherlich auch dazu gekommen.
So aber nahm M.C. Woche für Woche die Kritik und die spitzen Bemerkungen hin, auch wenn sie sich von Zeit zu Zeit einen Mordfall herbeisehnte, der ihr Erscheinen verhindern würde.
Vor dem alten einstöckigen Farmhaus, in dem sie aufgewachsen war, stellte sie den Wagen ab und musste auf einmal an Kitt Lundgren und diesen anonymen Anrufer denken.
Hatte diese Frau ihn vielleicht nur deshalb erfunden, um aktiv an den Ermittlungen teilnehmen zu können? Würde sie wirklich so weit gehen?
Ja, das würde sie, zumindest wenn es stimmte, was M.C. über Lundgrens Besessenheit in dem Fall zu Ohren gekommen war.
Dieser plötzliche Verdacht löste bei ihr Unbehagen aus, und mehr beiläufig sah sie zur Veranda. Ihre Brüder Michael und Neil standen dort und waren in ein Gespräch vertieft. Unwillkürlich begann sie zu lächeln, als ihr die liebevollen Spitznamen in den Sinn kamen, die sie ihren fünf Geschwistern gegeben hatte: der Überflieger, der Schleimer und die drei Arschkriecher.
Michael, der Überflieger, war der Älteste. Ein Chiropraktiker. In der Welt ihrer Mutter gab es nur eines, was noch besser war als ein Sohn, der mit „Dr. Riggio“ angeredet wurde – ein Sohn, den man mit „Father Riggio“ ansprach. Doch Michael begeisterte sich so wie die anderen Riggio-Jungs viel zu sehr für Frauen und Sex, als dass er Geistlicher hätte werden wollen. Und so musste sich Mama Riggio damit zufriedengeben, von „ihrem Sohn, dem Doktor“ zu erzählen.
Neil, der Schleimer, unterrichtete Mathematik an der Boylan Central Catholic High School, und er trainierte das Wrestlingteam. Alles ganz normal. Er hatte seiner Mutter auch eine Schwiegertochter präsentiert und sie zur Großmutter gemacht – zum ersten und bislang einzigen Mal.
Die drei jüngsten Söhne – Tony, Max und Frank – hatten ihre Ressourcen mit Mamas Rezepten kombiniert und Mama Riggio’s eröffnet, ein italienisches Restaurant. Das Trio hatte eben erst ein zweites Lokal aufgemacht, und schon jetzt wurde über ein drittes nachgedacht, das näher an Chicago gelegen sein sollte. Der Name ihres Restaurants hatte ihnen von M.C. den Beinamen „die drei Arschkriecher“ eingebracht.
M.C. liebte ihre Brüder, sie bewunderte sie sogar. Sogar den einen, dessen Idee es gewesen war, die Restaurants mit alten Familienfotos zu dekorieren – darunter auch eines, das sie mit
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