Der Engelmörder - Spindler, E: Engelmörder
habe das nicht gut verarbeitet. Sie haben es als ‚ausrasten‘ bezeichnet. Meinetwegen. Aber es ist längst Vergangenheit, zumindest versuche ich, es Vergangenheit sein zu lassen.“
Zuerst entgegnete Riggio nichts. „Ich habe überreagiert“, erklärte sie schließlich. „Für mich ist es wichtig, dass ich ernst genommen werde. Ich habe mein Leben lang dafür kämpfen müssen.“ Einen Moment lang hielt sie inne. „Ich hätte diese Dinge nicht sagen sollen.“
„Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen, aber keiner von uns hat vorhin gelogen“, gab Kitt zurück, woraufhin M.C. zu lächeln begann.
„Wenn wir uns je wieder in Codesprache unterhalten müssen, sind Sie diejenige, die ‚ausrastet‘.“
„Und Sie sind die, die es ‚locker angehen‘ lässt.“
„Trotzdem vertraue ich noch immer nicht darauf, dass Sie mir wirklich den Rücken decken.“
„Geht mir genauso.“
Für den Rest des Weges herrschte wieder Schweigen, allerdings nicht mehr so angespannt wie zuvor. Kitt nutzte die Ruhe, um sich die Fragen zu überlegen, die sie Sydney Dale stellen wollte.
Wie sich zeigte, lebte Mr. Dale in einem großen modernen Haus, das von einem gepflegten, fast einen Hektar großen Grundstück mit Pool und einem Teich mitsamt kleinem Wasserfall umgeben war.
Sie stellten ihren Wagen in der kreisrunden Auffahrt gleich hinter einem weißen BMW-Cabrio ab und gingen zur Haustür. Bevor sie jedoch klingeln konnten, wurde die Türgeöffnet und eine hübsche junge Frau mit blondem Pferdeschwanz kam heraus, stolzierte an ihnen vorbei, stieg in den BMW ein und startete den Motor.
Als der laut aufheulte, stürmte ein Mann aus dem Haus und hätte dabei fast Kitt umgerannt. „Sam!“, brüllte er. „Ich habe dir nicht die Erlaubnis gegeben, dich …“
„Ich muss los, Dad. Bin spät dran!“, rief sie und fuhr mit hoher Geschwindigkeit davon.
Mit einer Mischung aus Belustigung und Verärgerung beobachtete Kitt die Szene. Klassischer Fall von aufbegehrendem Teenager. Zu ihrer Zeit hätte ihr Vater oder ihre Mutter sie nicht so davonkommen lassen, sondern ihr kräftig die Meinung gesagt.
„Mr. Sydney Dale?“, fragte M.C.
Er sah die beiden an, als würde er sie erst jetzt wahrnehmen. „Ja?“
Dale war ein großer, allerdings nicht sonderlich attraktiver Mann. Seine Nase war entschieden zu groß, und seine narbige Haut ließ deutlich erkennen, wie sehr er in der Jugend unter Akne gelitten haben musste.
Kitt zeigte ihm ungefragt ihre Dienstmarke. „Detective Lundgren. Rockford Police Department. Meine Partnerin, Detective Riggio.“
Zwar zeigte M.C. ebenfalls ihre Dienstmarke, doch der Mann sah gar nicht hin. „Ich hatte mich schon gefragt, wann Sie wohl herkommen würden. Und damit Sie es gleich wissen, ich habe bereits mit meinem Anwalt über diese Angelegenheit gesprochen.“
Typisch reiches Arschloch, dachte Kitt. „Über welche Angelegenheit?“
„Über meinen Angestellten Derrick Todd natürlich. Odersind Sie nicht deswegen hier?“
„Doch. Ich bin bloß verwundert, dass Sie sich erst mit Ihrem Anwalt besprechen müssen, um ein paar Fragen über einen Ihrer Angestellten zu beantworten.“
Er verzog das Gesicht. „Versuchen Sie gar nicht erst, mit mir zu spielen, Detective. Wir wissen doch beide, warum jemand wie ich sich mit seinem Anwalt bespricht. Für mich steht einiges auf dem Spiel, wenn Lügner oder Betrüger für schlechte Presse sorgen.“
Es stimmte, und sie begrüßte seine Offenheit. „Und was hat Ihr Anwalt Ihnen geraten, Mr. Dale?“
„Ich soll Ihre Fragen ehrlich beantworten und Ihnen helfen, wo es nur geht. Und dann soll ich Sie beide wieder abziehen lassen.“
„Klingt gut, Mr. Dale.“
Sie gingen ins Haus, er schloss die Tür hinter ihnen. „Meine Frau schläft noch.“
Die Glückliche. Kitt zog ihren Notizblock aus der Tasche. „Ihnen gehört die Fun Zone, richtig?“
„Ja, es ist eines der Unternehmen, in die ich investiert habe. Die Leitung überlasse ich meinem Manager, der sich auch darum kümmert, wer eingestellt und wer gefeuert wird.“
„Mr. Zuba.“
„Genau.“
„Sie sagten gerade, er kümmere sich ums Personal, aber das ist nicht immer der Fall, richtig?“
Kaum wahrnehmbar zögerte er, dann antwortete er: „Hin und wieder schlage ich ihm jemanden vor.“
„So wie im Fall von Derrick Todd?“
Erneut ein kurzes Zögern. „Ja.“
„Mr. Zuba sagte, Mr. Todd sei ‚wärmstens empfohlen‘ worden.“
„Ja, das kam von mir. Er hat sich
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