Der Engelmörder - Spindler, E: Engelmörder
vielleicht nicht?
Schritt für Schritt ging sie im Geiste den Ablauf dieses Morgens durch, doch da war keine konkrete Erinnerung daran, wie sie abschloss. So etwas machte sie Tag für Tag automatisch. Immerhin war sie ein Cop und wusste, dass man eine Haustür nicht bloß zuzog, wenn man ging.
An der Tür und am Schloss konnte sie keinen Hinweis darauf entdecken, dass sich jemand mit Gewalt Zutritt verschafft hatte. War sie vielleicht bloß in Gedanken gewesen?
Ja, das war möglich. Doch wenn es so war, musste sie sich besser in den Griff bekommen.
Sie ging ins Haus und verriegelte die Tür hinter sich. Erst würde sie duschen, dann in aller Ruhe frühstücken. Bis dahin würde ihr der von Danny mitgebrachte Kaffee über die Runden helfen.
Auf dem Weg ins Schlafzimmer zog sie ihr verschwitztes T-Shirt aus und warf es in den Wäschekorb. Im nächsten Moment erstarrte sie mitten in der Bewegung und spürte, wie sich ihre Nackenhaare aufrichteten.
Die Nachttischschublade war ein Stück weit aufgezogen – die Schublade, in der sie ihre Waffe verwahrte.
Das Blut jagte durch ihre Adern. Ein Officer trug seine Waffe immer bei sich. Wenn sie joggen ging, dann trug sie sie an der Hüfte – wie an diesem Morgen – oder im Halfter am Unterschenkel.
Dennoch wusste sie mit völliger Sicherheit, dass sie dieSchublade nicht offen hatte stehen lassen. Sie ging zum Nachttisch und zog sie ganz auf. Ihr Tagebuch, ein Stift, einige Fotos von Sadie. Die Stelle, an der sie ihre Glock ablegte.
Jemand war im Haus gewesen. Aber wer? Sie dachte an Danny, der auf der Veranda gewartet hatte. Nein, nicht er …
Peanut.
Er wusste, wo sie wohnte. Offensichtlich verstand er sich auch auf Einbruch. Wie es schien, hatte er beschlossen, sein Spiel noch ein Stück weiterzutreiben.
Vielleicht war er noch immer im Haus!
Sofort zog sie ihre Glock und durchsuchte systematisch jeden Raum, konnte aber weiter nichts finden, was ihr seltsam vorkam.
Bildete sie sich das alles vielleicht nur ein? Hatte sie vergessen, die Schublade zuzuschieben und die Tür hinter sich abzuschließen?
Verlor sie etwa wieder den Bezug zur Realität?
Das Schlimmste daran war, dass sie sich nicht sicher war. Sie vertraute weder ihrem Gedächtnis noch ihren Instinkten. Und das war viel schlimmer, als wenn sie gewusst hätte, dass der Engelmörder hier gewesen war.
25. KAPITEL
Montag, 13. März 2006
8:00 Uhr
Kitt nahm vorsichtig einen Schluck von dem frisch gebrühten Kaffee. Der restliche Sonntag war ohne weitere Zwischenfälle verlaufen. Sie hatte immer wieder überlegt, ob der Engelmörder nun in ihr Haus eingedrungen war oder nicht und ob sie sich mit ihrem Verdacht an M.C. oder Sal wenden sollte.
Sie entschied, die Sache zunächst für sich zu behalten. Es war nicht nötig, dass irgendjemand auf die Idee kam, sie sei überarbeitet. Ihr Selbstbewusstsein stand auch so bereits auf wackligen Beinen, da musste sie nicht noch selbst bei ihren Kollegen Zweifel an ihrer geistigen Verfassung wecken.
Als M.C. ins Büro kam, wirkte sie ein wenig erschöpft.
„Wie war Ihr freier Tag?“
„Der größte Mist, den man sich vorstellen kann. Ich habe gewaschen, die Wohnung sauber gemacht und die Schecks für alle meine Rechnungen ausgestellt.“
„Es gibt eben nichts Schöneres, als das Leben eines Cops zu führen. Übrigens hat Todds Anwalt eine Nachricht hinterlassen.“
„Ja? Und was hat er uns zu sagen?“, wollte M.C. wissen.
„Natürlich, dass der Junge unschuldig ist.“
„Dabei ist er unsere größte Hoffnung.“
„Genau genommen halte ich die Fun Zone für am aussichtsreichsten. Das ist zwar die einzige Gemeinsamkeit zwischen den beiden Mädchen, aber beim echten Engelmörder konnten wir nicht mal so etwas finden. Übrigens hat Sal veranlasst,dass ein Officer dort verdeckt arbeiten soll. Er hielt Sie für die beste Wahl.“
Schlagartig war M.C. hellwach. „Mich? Die meisten Kinder rennen davon, wenn sie mich nur sehen. Außerdem kann ich für nichts garantieren, wenn ich noch mal zehn Minuten in dem Laden verbringen muss.“
„Das habe ich Sal auch gesagt. Und ich habe ihn daran erinnert, dass wir beide in Verbindung mit dem Fall bereits im Fernsehen waren.“
„Und?“
„Er teilt Schmidt dafür ein.“
„Der Glückspilz. Bekommt er auch die älteren Überwachungsbänder?“ Als Kitt nickte, fügte sie hinzu: „Ich schätze, dann haben Sie jetzt was gut bei mir.“
„Dafür sind Partner schließlich da.“
Ehe M.C. etwas darauf
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